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So war mein Laubach
Ereignisse, Erlebnisse und (melancholische)
Erinnerungen
aufgeschrieben von Wolfhard Behrens, OIa 1967, in Peking, August 2011
Abitur ist hier am Anfang das, was in der Schulzeit unbedingt am Ende stehen sollte, musste! Der Weg dahin verlief glatt, eckig oder kurvig, aber die meisten kamen an.
Der 67' er Jahrgang war, wie zu lesen sein wird, von einer gewissen Leichtigkeit getragen, die zu vermindertem Lernvergnügen beigetragen haben mag. Oder wurde es uns nur leicht gemacht?
In der Oberstufe, OIIa und zwei Kurzschuljahren, verging keine Franzarbeit ohne das Übungsheft unter der Arbeitsplatte meist männlicher Nacherzähler griffbereit zu haben. Die Fundstelle wurde -gleichsam als Ritual- nach dem Verlesen des Titels der nachzuerzählenden Geschichte von Robert Opel im Klarseitentext angesagt ("45"). Und bevor Herr Hagemann, der Name muss leider genannt werden, den Text vorgetragen hatte, wurde von den Textkundigen bereits mit der Niederschrift begonnen. Die so erzielten Noten sicherten den Eindruck, französisch zu können.
Als Wochen vor dem Abitermin in einer großen Pause die Aktentasche des Lehrers neben dem Tischpult stehen blieb und wir bei einer Routinedurchsuchung schnell die vorgeschlagenen Abitexte für englisch und französisch fanden, war action angesagt.
Um franz. mussten wir uns nicht kümmern, die Arbeit würde aus dem bekannten Heft stammen.
Aber nach kurzer Recherche stand fest, dass der englische Text in Laubach nicht zu finden war. Günter Grümer aus Münster war in der Stadt, ein Alumnatsfreund aus kurzen Mittelstufe-Zeiten. Mit seinem rotem Kadett Coupe fuhren wir mit dem ortskundigen Robert Opel nach Fankfurt, durchkämmten erfolglos das Amerika-Haus und das British Council. Ein schwieriger Text also, der unser Tun vollends legitimierte!
Auf dem Weg zur Stadtbibliothek, unserer letzten Hoffnug, Grümer wartete im Hauptwache - Café, fuhr ein amerikanischer Straßenkreuzer einen anderen Wagen an, der gegen uns flog und zu einem ambulanten Krankenhausaufenthalt nötigte. Im Gegensatz zu Robert's Fleischwunde Bein war ich nur hinkend zu erkennen, unblutig und nicht zu bandagieren. Die Verletzungen hatten Vorteile, denn am nächsten Tag fand der 3000 m Geländelauf auf dem Ramsberg statt, für uns leider nur als Zuschauer...
Abi wurde geschrieben, die mündliche Prüfung war abgeschlossen, allerdings nur für die Parallelklasse. Bei uns tauchte ein klein gewachsener Referendar auf, schaltete das Tonbandgerät aus und verkündete: "Sie möchten bitte alle hoch kommen". Wir waren im Bilde!
Hoch, das war im Zeichensaal wo früher die gläubige Frl. Hermann ihren Kunstunterricht erlitt. Heute fand hier die Abiprüfung statt.
Frl. Hermann hatte eine ungläubige Nachfolgerin mit klingendem Namen, die zu Beginn der mdl. Prüfung von unseren guten Textkenntnissen zu berichten wusste, angeblich das Ergebnis nächtlicher Romanzen mit einem Aufsichtsbefohlenen.
Von unserem Auftritt ist nur noch der Satz "ich kann Ihnen das Abitur verweigern" von Herrn Korth in Erinnerung. Der nächste Gang war der zum Telefon, denn zu Hause erwartete man die Verkündung des glücklichen Endes einer langen Schulzeit.
Die französiche Arbeit mussten nach 14 Tagen erneut geschrieben werden, was bei freihändiger Nacherzählung ohne die textunterlegte Arbeitsweise der Vorjahre nicht bei allen zum gewünschten Ergebnis führte, oder auch ganz daneben ging. Wie auch immer: für damalige Verhältnisse ein starkes Stück.
Abtrocknen: Kein Küchenpersonal, das heute seinen Beruf mit einem Geschirrspüler in der Küche beginnt, kann in einem Berufsleben so viel Geschirr und Bestecke abtrocknen wie wir es „durften“. Jeden Mittag und Abend standen Sträflinge neben Rosel und Vroni und leisteten Frohndienste. Es waren die Nachläufer der unvermeidlichen Vergehen in unserem Tagesgeschehen.
Es hätten freudige Zeiten sein können, wären die jungen Damen auch bestraft worden, aber die Aufhebung des traditionellen Rollenverständnisses stand bei uns schon damals im Vordergrund (s. Ko-edukation).
Vroni achtete darauf, dass Teller einzeln abgetrocknet wurden - nicht drei auf einmal nur oben und unten – und 20 Bestecke nicht 3x in das – ohnehin schon nasse – Handtuch gerollt und dann als trocken weggelegt wurden.
Vroni mochte es nicht, wenn wir uns das Handtuch lässig über die Schulter warfen. Das war unhygienisch, sah aber lässig und professionell aus. Wir haben deshalb keine Schuhbecks züchten können.
Rosel hat mit ihrer Sehschwäche die Aktionen jenseits des Klarwasserbeckens nicht erkennen können.
Alt: Pfarrersohn Dieter Alt kam aus Nieder–Ohmen als Referendar zu uns, war also im Vogelsberg aufgewachsen, ein sportlicher Outdoor-Typ. Wie sehr ihn sein erstes Referendarjahr bei uns geprägt hat, zeigte der Ausruf im Juli 2011 nach der Friedhofszeremonie in Laubach: „Behrens?, gibt’s ja gar nicht, OIIIa“; und das nach 49 Jahren!
Herr Alt ist viel mit uns auf dem Hoherodskopf gewesen (schwarzer Opel Rekord 1700 vom Vater), gewandert, hat mit uns auf der alten Bahntrasse zum Laubacher Wald in feuchten Unterführungen bei widrigen Wetterbedingungen gegrillt, war auf Klassenfahrten großzügig. Und er hatte nie eine Beziehung zu Frau Schrank.(s. Fr. Schrank).
Dieter Alt war für uns damals der Typ Pfundskerl, und das ist er heute noch.
Alumnat: „Ursprünglich waren Alumni verletzte und ausgediente Soldaten, die das alte römische Reich kostenlos ernährte. Im 13. Jahrhundert bürgerte sich die Bezeichnung Alumni für die mittellosen Zöglinge von Klosterschulen ein. Die Internen erhielten Kost und Logis, den Externen wurde ein Freitisch gewährt. Mit diesen Vergünstigungen bot die Kirche den armen Bevölkerungsschichten eine Bildungschance und sicherte sich gleichzeitig ihren geistlichen Nachwuchs“(Wikipedia)
Alumnus war für uns ein Zögling, der nicht im Kreis seiner Familie erzogen wurde. Er/sie wird für diese Zeit der Aufzucht weggegeben, eingewiesen, untergebracht, hin empfohlen, hingebracht, geschickt usw. Kaum einer von uns war selbst auf die Idee gekommen, das war Elternsache.
Die Beschreibung weist auf die Nöte hin, die zu Hause der Anlass für die Entscheidung gewesen sein mögen: häufig schwierige Ehen, alleinerziehende Elternteile, Erziehungsprobleme u.a.m. In dieser Hinsicht hatten wir zumeist einen sehr ähnlichen (Hinter-) Grund, der uns in Laubach zusammenführte. Es waren auch kein Luxus-Alumnate in Laubach, die Schule war keine bekannte Lehranstalt nach Salem-Art, nein, wir waren ein Querschnitt der Gesellschaft, hatten gute Voraussetzungen für ein gedeihliches Miteinander und einen Übungsraum für das, was später im Leben von uns erwartet wurde.
Alumnatsfeste waren in dem koedukativen Rahmen glückliche Abende. Sie waren die Bühne für die Pubertierenden, die aber wg. des ungleichen Zahlenverhältnisses von Jungen zu Mädchen hier und da noch einen Bocksbeutel mehr nahmen oder im Herbst den billigeren Rauscher wählten. Lutz Klenke wurde für seinen Liter Apfelsaft für 70 Pfg. von Herrn Clausen belobigt, die hohen Rechnungen (13,20 DM) der viel jüngeren üblichen Verdächtigen gerügt..
Höhepunkte waren zweifellos die Bilder der Charade mit ihren großartigen Szenen „beim Zahnarzt“ oder dem Mann mit nur Kopf und Beinen.
Appelle: Zimmer- und Schrankappelle fanden in regelmäßigen Abständen statt, nur kurz vorher angekündigt. Wichtig war es, die obere, fingerbreite Kante auf dem Schrank zu wischen, da sauste Theo’s Finger zuerst drüber. Neben der Sauberkeit des Zimmers kam es auf den akkuraten Kantenabschluss der Textilien mit den Einlegeböden der Schrankfächer an, eine jahrelange Grundausbildung! Schwere Kantenverstöße wurden mit Abtrocknen (s.d.) im Schnellverfahren entschieden.
Aussteigen war manchmal eine Mutprobe, v.a. wenn ‚hinten’ noch Licht brannte, in Clausens’ Wohnung. Mitunter war es die schiere Not, wenn die Arme Ritter nicht vorhielten, der Milchreis wieder als Sättigung versagte, oder man einfach nur Lust hatte. Im Parterre, links neben der Toilette lag der geeignete Raum.
Mit einem kleinen Sprung aus dem Fenster stand man neben dem geparkten Holder, konnte sich noch im Schatten der dicken Basaltsteinmauer am Eingang verstecken, um dann im gleißenden Mondschein in Richtung Kühn zu wandern. Auf der Höhe des Schlafzimmers von Frau Schmid brannte die erste Zigarette.
Schlecht lief es, wenn bei Rückkehr Theo im Zimmer stand und leutselig fragte:“ Gell, Ihr wart weg?!“ Zu Konsequenzen, s. Abtrocknen. Ausgangsverbot entsprach dem heutigen Führerscheinentzug, nach Wochen gestaffelt. In den meisten Fällen erfolgte bei guter Führung eine Amnestie.
Mit dieser Geste war einmal die Anregung verbunden, für einen gelegentlichen abendlichen Kühnbesuch doch ganz einfach nur zu fragen. Erfolgte diese Frage 2 Tage nach einem Schadensfall, wurde der leise vorgetragene Wunsch an der Wohnungstür mit einem „Du warst doch gestern erst besoffen“ quittiert. Also wieder die Ursprungsvariante!
Das Zimmer war auch dann hilfreich, wenn Dieter den Mercedes vorfuhr. Der 220 SE von Dr. Amonn durfte ab und zu vom Freund der Tochter Ute zu Probefahrten vor dem Alumnat geparkt werden. Das reizte zu nächtlichen Ausritten, die immer ein Ziel hatten: die Gulaschsuppe und das Bier in der Autobahnraststätte Reinhardshain. Die Tischecke dort gibt es heute noch.
Da der Wagen vor dem Haupteingang parkte und leicht abschüssig zur Straße hinunter zeigte, stiegen wir ein, hielten die Türen offen und rollten ohne den Motor anzulassen an Frau Schmids Schlafzimmer vorbei, deren Damen auch mitfahren durften. Auf der Höhe des Hauses von Frau Dittberner (Slop) wurden die Türen zugezogen, der Motor angelassen und der Linie der Nacht gefolgt.
Die herzlose Führung des Laubach-Kollegs hat das Ausstiegszimmer in ein profanes Büro umgewandelt, ein respektloser Akt.
Als Anmerkung sei noch erwähnt, dass der für sehr kurze Zeit bei uns weilende Iraner Faruk (10 oder 11) bei offenem Fenster in diesem Zimmer stand, als ihn Dr. Korth auf dem Weg in die Halle sah und der kleine Faruk freudig die beiden Begrüßungsworte ausstieß, die bis dahin sein Vokabular der deutschen Sprache ausmachten: „Hühnerficker, Nuttenpreller“; in sauberem deutsch vorgetragen.
Autos: Besonderes Augenmerk wurde der automotiven Entwicklung der Zeit geschenkt. Hier eine kleine Revue unserer damaligen Autowelt.
Am unteren Ende der automobilen Erlebniskette stand zweifellos der Goggo von Herrn Rösch. Ein Gefährt, laut, langsam, wenig Sicherheit.
Doch, dieses Mobil gab es aufgerüstet als zweifarbiges Coupe und stand in der Garage von Dr. Hartmann. Bei Ausfahrten in die Gemarkung zur freiwilligen Erstellung von Landkarten mit den Namen örtlicher Gemarkungen (Erdkunde-AG) wies Hartman mit hörbarem Stolz auf einen kleinen Hebel am Armaturenbrett hin, mit dem er in sternförmiger Bewegung Gänge finden konnte; eine Halbautomatik ihrer Zeit. Wenn man bedenkt, dass diese Modelle Vorläufer der späteren BMW - Generationen waren und der Firma das Überleben sicherten, lernt man sie posthum zu schätzen.
Es folgt der 'Tiger', ein vierrädriger Kabinenroller der Firma Messerschmidt, gefahren von Detlef Suffert, der schon im Solmser Hof mit Hilfe dieses Glaskuppel Dorothees Herz zu erobern suchte, vergeblich.
Gegen Vater's zweifarbigen DKW 3=6 war damals in Laubach allerdings auch nur schwer anzukommen.
In den seit 1957 gebauten DKW- Junior musste sich der große Edgar Wagner nach mathematischer Berechnung täglich einpassen. Bedenkt man die gebaute Stückzahl von ca. 118.000 Fahrzeugen dieses Typs, fuhr Herr Wagner fast schon im oberen Segment.
Dieses wurde durch den schwarzen Ponton - Mercedes 220S gekennzeichnet, mit dem das Ehepaar Moos zum Besuch des Sohnes Wolfgang häufig vorfuhr. Der Wagen wurde wöchentlich in der Werkstatt der Deutsche Bank in Frankfurt gewartet und gewaschen und sah stets aus wie eben vom Fabrikgelände gefahren, edel.
Es gab den Opel Diplomat der Familie Bunz mit Fahrten nach Düsseldorf; weiter nördlich in Münster parkte der vornehm graue 220 SE der Firma Grümer, der zur Anlieferung von Spezereien ausschließlich vom Chauffeur, Herrn Wiewel, nach Laubach gesteuert wurde.
Aus Büdingen kam das Ehepaar Friedrich an Wochenenden mit einem weissen Ford Taunus 20 M(Badewanne).
Wenn Holger Geschwindner Besuch bekam und es der Mercedes mit dem eingebauten Lautsprecher war, kündigte sich der Besuch schon von der Berliner Strasse laut mit Musik (vom portablen Plattenspieler) und deulicher Ansprache an.
Lokal dominierte die Szene später der 220 SE von Dr. Amonn (s. Aussteigen). Sein 1964er Opel Rekord gefiel ebenso wie 'unser' FIAT 1500 von Theo Clausen (s. Garage).
Besonders sicht- 'und bald für uns auch erreichbar' leuchtete der hellblaue VW Käfer von Fifi Schönhals, der in der Höhe der Clausen - Wohnung auf der Strasse parken durfte. Der immer Nigel-Nagel saubere Wagen hatte mit Distanzscheiben an den Hinterrädern ein Tuningmerkmal seiner Zeit, das uns begeisterte.
Wenn von der Schottener Strasse aus Richtung Schotten das regelmäßige Quietschen schnell gefahrener Limousinen zu hören war, fuhren wir zur Kreuzung mit der Rechtsabbiegung zum Waldhaus und winkten bei freier Strecke die schweren Mercedes zur ungebremsten Kurvendurchfahrt ein. Die Testfahrer der Firma Dunlop aus Hanau dankten es uns mit besonders scharfen drifts.
Danach zurück ins Alumnat, wo der Holder vor dem Haus parkte.
Bier war ein wichtiges Nahrungsmittel. Man konnte es in Form der Kühn’schen Darbietung zu sich nehmen oder in selbst gewählter Umgebung, oder man konnte es sich über den Kopf schütten. Das passierte bei „älteren“ Mädchen, die sich plötzlich im Bestreben glänzender Haare diese mit Bier waschen durften, aus unserer Sicht eine üble Verschwendung, Missbrauch. Der wurde berichtet, als der Inhalt eines Kasten Biers weniger in die Haare als in eine Kehle floss. Das Gesamtergebnis soll mit Netzstrümpfen bekleidet auf dem Bett liegend gefunden worden sein. Das hätten wir natürlich gern selbst gesehen.
Bremter: Herr Bremter war bis zur Rente unser Hausmeister im Solmser Hof, die anspruchsvolle Technik im Neubau hätte er nicht bewältigt, und das gelang auch Herrn Döll im neuen Alumnat nur mit Mühe. Herr Bremter löste bei uns wegen seiner Fistelstimme Irritation und Fragen aus, aber darüber wurde nur intern nachgedacht.
Mit seiner hellen Stimme konnte er uns auf dem Weg von der Schule zum Alumnat schon die freudige Nachricht übermitteln: „Deine Mutter kommt nächste Woche„. Das ersparte die eigene Lektüre der Postkarte.
Peuckert (Peu) hatte gebrauchte Schuhe (schon damals auffällige Modelle) auf dem Dachboden abgelegt. Als er eines Tages Herrn Bremter in Krokosandalen vor der Post antraf und seine Schuhe bewunderte, lagen diese am Nachmittag wieder auf dem Dachboden.
Herr Bremter war mit Frau Bremter verheiratet, die als Vorgängerin von Frau Hermanski zusammen mit Vroni (und Rosel?) für die gastronomische Vielfalt zuständig war.
Herr Bremter war mitunter auch in der Küche behilflich, wo am Ende einer Treppe mit 4-5 Stufen nach oben eine Tür zum Speisesaal führte, in die eine von der Küche zu bedienende Durchreiche eingebaut war. Nach dem Gongschlag als Aufruf zum Essen fassen, musste man die Schüsseln und Platten an der Durchreiche abholen und auf die gedeckten Tische stellen, eine Aufgabe für die Unter – und die untere Mittelstufe.
Wenn Herr Bremter die schweren Schüsseln mit Kartoffeln, Gemüse oder Suppe den Weg zur Durchreiche hochbalanciert hatte, sah man zuerst die Schüssel, dann Herrn Bremters breiten, mit schwarz gerändertem Nagel leuchtenden Daumen, der sich über die Schüsselkante in die Speisen versenkt hatte; von Bremter selbst war wegen der Küchentieflage nichts zu sehen.
Als auf einer Tagessuppe ein Blutfleck sichtbar war und wir Frau Bremter aufmerksam machten, quittierte Vroni die Panne mit dem lapidaren Zusatz „s is nur`s obbere Häutche!“. Sie hatte sich leicht in den Finger geschnitten.
Bücherstube: Auch ein Kultort, Fixpunkt für die Welt aus Papier. Wenn man mit 15 Abonnent der ZEIT war, war das auch der anregenden Atmosphäre zu danken, die Gräfin Moni und ihre trinkfreudige Mitarbeiterin für uns schafften.
Als das Abonnement später durch die Eltern gesponsert und ein Jahr im Voraus bezahlt war, konnte bei der Taschengeldausgabe (s.Taschengeldausgabe)immer „Zeitungsabo“ angegeben werden, das sicherte locker 2 Schachteln.
Café Göbel: Das Café darf nie geschlossen oder abgerissen werden, Denkmalschutz ist Pflicht. Dieser Kultbahnhof hat sie alle gesehen, Residenten, Reisende, alle. Die Atmosphäre hat sich bis heute nicht verändert, die Eingangsklingel und -tür nicht, auch wenn die Nusstörtchen in der einzig zugelassenen Form mit der Haselnuss drauf nicht mehr im Angebot sind.
Herr Eggebrecht prägte früher das Gesicht des kreativen Teils hinten im Gebäude, vorn fand nur der Verzehr statt. Der Spitzen- Hobbyfotograf wirkte in seiner getragenen Art in der Backstube wie der Erfinder des Mehls.
Das Café stand immer zur Verfügung, hier wurden wir auch nicht verpfiffen. Es hatte den Vorteil eines Hintereingangs, wo man nicht gesehen wurde, im Notfall hätte man auch schnell in den daneben liegenden Laden (s. EDEKA) flüchten können. Diesen Vorteil gegenüber dem offenen Aufgang zum Kühn war uns damals nicht bewusst, gespürt wurde er schon.
Im Glockenbau der Schule, unten rechts im Klassenraum (UIa) hinter der Bücherausgabe lag vor dem Fenster ein großer Kokshaufen, der bis an das Fensterbrett reichte und den Ausstieg aus dem Klassenraum erleichterte. Das ermöglichte beim Blockunterricht in franz. am Samstag den Gang auf ein Gläschen zum Göbel. Wenn Dr. Hagemann zwischendurch hereinschaute („bleiben Sie sitzen“), sah er nur die vordere Sitzreihe mit Damen und den sonst spärlich besetzten Raum, erläuterte kurz etwas („damit Sie das mal dabei gehabt haben“) und zog sich zu anderen Verpflichtungen in das Kartenzimmer zurück. Die Quittung dieses legeren Umgangs mit dem frz. Lehrstoff erhielten wir im Sommer 67, als wir die frz-. Abiturarbeit wiederholen durften.
Die Fotos stammen aus den 1960ern ...
Corps- und Chorgeist: Alle Alumnate hatten einen Korpsgeist, die Singalumnen zusätzlich einen Chorgeist. Sie waren fleißig, privilegiert, konnten reisen, bekamen Auszeichnungen, waren bekannt. Sie haben ein eigenes Produkt erarbeitet und geprägt, da entsteht schnell ein Korpsgeist.
Im PG der Freigeistigen gab es auch einen Korpsgeist, trotz fehlender Alleinstellungsmerkmale; das Theater war ein Ansatz, Datterichs Lisettche die Krone. Die fehlende Attraktivität der Unterbringung -auch zu nahe an der Schule- wurde durch seine Bewohner wett gemacht. Die PGler haben uns in Kern - Laubach bestens vertreten, waren das Gesicht der Schule in der Stadt und haben den Kontakt vielleicht intensiver empfunden oder gezielter gesucht als wir. Beste Vorrausetzungen für einen guten Zusammenhalt und einen bis heute erlebbaren Korpsgeist.
Zu den täglichen Aufgaben vieler PGler gehörte der Handel mit Brot in der großen Pause. Dicke Bemmen aus der Fertigung Hermanski (s. Frühstück) wurden von uns gegen mit Salami belegten Knüstchen und dünnen Scheiben mit Schnittkäse getauscht, für uns unbekannte Delikatessen. Ein bis heute nicht geklärtes Phänomen. Als fleißiger Unternehmer dieser vorindustriellen Tauschgeschäfte tat sich Deubus über Jahre hervor.
Wir hatten es besser. Kein Singunterricht, modernes Gebäude, Turnhalle und Sportplatz, Biotop mit Scheune, Schlammloch als Arena, begehrenswerte Mädchen. Das GFMA lag auf einem Hügel, Königsberger Str. hatte Klang. Zur Schule und zum Kühn (symbiotisch) ging man in die Stadt „runter“, durch gepflegte Gärten (s. Muttertag), vorbei an akkurat geschnittenen Hecken, weiter zum Café Göbel, Kühn und Bücherstube. Wir durften jeden Tag alles erleben, was uns ausmachte.
Wir haben uns - auch als Nichtspieler - an gewonnen Basketballspielen erfreut. Theo Clausen kam aus dem fernen Paramaribo, war in Springfield, das dortige College fast so etwas wie unsere Schwesterschule. Und wenn Amerikaner uns in Laubach besuchten, wurden sie in breitem amerikanisch von Clausen in „Lobäck“ begrüßt, wir waren damals ein wenig international.
Von den gesetzten Pflichtzeiten abgesehen, hatten wir viel Freiheiten, Freizeit, Abwechslung; und den nahen Wald. Wir durften zufrieden sein in unserem Alumnat, wurden gut behandelt, haben viel fürs Leben gelernt, für viele der bessere Weg als zu Hause geblieben zu sein. Das hat Laubach für uns bedeutet, formte unseren Korpsgeist.
Döll: Herr Döll war der Hausmeister im Neubau, Nachfolger des legendären Herrn Bremter (s.Bremter) und der Archetyp des modernen Hausmeisters. Trug Herr Bremter nur hin und wieder Berufskleidung, sah man Herrn Döll höchstens auf dem Festplatz beim Ausschuss ohne seinen blauen Kittel.
Herr Döll war auf seine Weise sehr modern, denn er ließ arbeiten, was mangels geeigneter Werkstatt(-ausrüstung) und Kenntnissen im Umgang mit den modernen Heiz- und Wassersystemen auch empfohlen war. So kamen dann die Fremdfirmen und Gewährleister zu schwierigen Einsätzen.
Die werkstattlose und trostlose Zeit erfuhr für zwei Herren mit der Beschaffung des Holders eine radikale Wende. Herr Döll war in der Arbeitszeit ohne Holder nicht mehr denkbar, er nahm ihn auch zuweilen zu Heimfahrten ins nahegelegene Eigenheim zu Frau und junger Tochter mit. Nach Dienstschluss ging das zuweilen sehr widerspenstig reagierende und schwer zu schaltende Gerät in die Befehls- und Verfügungsgewalt von Jürgen v. Frowein über, der damit allerdings auch viele gute Dienste zum Bau und Unterhalt der hauseigenen Scheune leistete.
Frau und Tochter Döll (Englisch-Nachhilfe...) waren beim Alumnatstreffen im Juli 2011 willkommene Gäste.
Duschen: Im Solmser Hof lief der Duschvorgang samstags so ab wie im PG. Jemand wurde zum Heizer bestimmt -Hausmeister Bremter war im Wochenende- und brachte den Kessel fast zum Glühen. An einem schwarzen Rad im Durchgang zum kleinen Duschraum wurde von Herrn Clausen das ganz-heiß und ganz-kalt-Spiel durchgezogen. Vielleicht dienlich zur Körperertüchtigung, aber pädagogisch fraglich, denn der Duschvorgang als solcher wurde so erst einmal nicht als Wonne empfunden.
Im neuen Alumnat war das Duschen komfortabel, warmes Wasser gab es immer, die Duschen standen jeden Tag offen, auch in der neuen Turnhalle gegenüber.
EDEKA: Rechts neben dem Café Göbel, heute das Restaurant in „unser kleines Hotel“, befand sich ein EDEKA–Geschäft der besonderen Art (s. Foto bei "Cafe Göbel"). Der mit der wenig kaufkräftigen Schülerschar völlig überforderte, etwas tuntige Pächter Mielke hatte auch mit seiner Angestellten keine Verbündete. Dieses wahre Trudchen ließ sich wegen des von ihr gesuchten Körperkontakts lieber in eine Rempelei mit Jungkunden ein als ihren Chef zu unterstützen. Chaotische Zustände und ein böses Ventil nach der anstrengenden Schule…
Auf Hern Mielke folgte Herr Semmler aus Altenhain; er war geschäftstüchtiger, passte mehr auf. Gut war: seine Preise waren Mielke-ähnlich.
Einsteigen: Die zu ebener Erde und nur über die hintere, für uns nicht zugängliche Küchentreppe zu erreichenden Vorratsräume waren geheimnisvoll. Wo waren die Wurstvorräte, die Fischkonserven, zumindest die Gurken?
Das Fenster zu einem Raum war immer gekippt. Für eine geplante Pokernacht im Zimmer von Gerolf Kress musste Äsung her. Wir bastelten eine an einem Stöckchen baumelnde, aus leichtem Blumendraht gebogene Schleife und hangelten sie durch die Kippöffnung nach unten. Dort mussten ein dreieckig geformter Hebel von links nach rechts bewegt werden, das Fenster ließ sich in der Kipplage nach innen schieben und in die Normallage bringen.
Der Zugang war offen und die Enttäuschung groß. Es standen dort große Dosen in Regalen, mit Erbsen, Leipziger Allerlei, Mirabellen (entkernt), Milchpulver und ähnlich aufregende Sachen. Das im PG mit großer Bestimmtheit vermutete Hängulin oder Hänge-low haben wir trotz intensiver Suche in diesem Pulver – und Zusatzraum nicht gefunden, gab es nicht. Wir hätten das bei der Koedukation sowieso nicht gemerkt. Aus Frust ging eine Großdose Mirabellen mit zum Poker, das Fenster wurde auf die gleiche Weise verschlossen.
Elternsprechtage waren rundherum gute Tage, zumal wenn die Steuerung der Eltern zu den Lehrern mit dem geringsten Anlass für Horrorgeschichten gelang. Man durfte außerdem fest mit Geldzuwendungen rechnen, mitgebrachten Lebensmitteln und Spezereien,
Die Lenkung der Eltern zu den harmlosen Lehrerkandidaten an diesen besonderen Wochenenden konnte aber auch schiefgehen, etwa wenn Herr Voigts mangels eigener Themen zum Schüler der Mutter Begebenheiten aus anderen Unterrichtseinheiten verkündete, wie den Wurf eines Stuhls aus dem zweiten Stock (s. Stuhl) was schließlich nur auf Weisung des Klassenlehrers erfolgte. Voigts hatte damit bei der Mutter die Vermutung geweckt, bei anderen Lehrern noch viel Schlimmeres hören zu müssen, sie konnte aber von spontanen Terminwünschen abgelenkt werden. Zum großen Entsetzen fragte sie dann die vor den Zimmern anderer Lehrer wartenden Eltern, ob sie ähnliche Nachrichten erhalten hätten.
Es gab Eltern, die in ihrem Beisein den Kindern das Rauchen bereits erlaubten, andere nicht. Wenn beide Gruppen im Café Göbel aufeinander trafen, die einen rauchend, die anderen sich in Anwesenheit der Eltern zurückhaltend, wurden sie von den Eltern gefragt, ob sie nicht auch rauchen möchten. „Jetzt, hier?“ kam es ungläubig raus, aber Frau Eggebrecht durfte eine Rote Hand bringen („Junge, muss es denn gleich so stark sein?“).
Am Sonntag gab’s ein feines Mittagessen, dann sollten die Eltern möglichst zügig abreisen. Mit dem Geldzuwachs wartete Fritz Kühn auf die Begleichung des einen oder anderen Deckels.
Wichtiger aber konnte bei akuter Not an solch einem Tag die gnädige Stimmung von Theo Clausen sein. Wenn es passierte, dass man nach dem Blockunterricht am Samstag auf dem Weg nach Hause auf einen Sprung bei Fritz Kühn reinschaute und bei Ankunft im Alumnat schon verpfiffen war, ging das bei einem Mal noch gut. Wenn das Verbot daraufhin erneuert wurde und sich der Fall dennoch zweimal wiederholte, wurde es ernst. Schon der Blick von Frau Clausen beim Betreten des Hauses brachte die Gewissheit:„Der Alte weiß Bescheid“.
Wenn sich der Chef dann gerade mit irgendwelchen Eltern unterhielt, man höflich um Unterbrechung bat und die erneute Verbotsübertretung beichtete, lief Clausen zu seiner Hochform auf. Nach einem entspannten Blick auf den Angeklagten schaute er zu den Eltern, lächelte milde, wandte sich dem Schüler zu und sagte gönnerisch „aber das passiert nicht noch einmal“. So war er uns am liebsten, in der wohlgemeinten, guten Vaterrolle.
Als Verräter im Kühn steht bei uns bis heute der alte Sänger fest („Ich hab’ Schplittr in de Knoche“), obwohl wir das nie beweisen konnten.
Eule: Die Eule, gleich um die Ecke vom Scharfen Eck (s.d.) in der Untere Langgasse gelegen, hat durchgehalten. Damals ein nettes, gemütlich dunkles Lokal (eigentlich eine Bäckerei) mit ein wenig Karzer-Potenzial und von Else und ihrer Mutter (Ma genannt) liebevoll geführt, hat sich zu einem kleinen Steakhouse gemausert.
Else konnte sich auf die Schüler aus allen drei Alumnaten verlassen, wenn auch nur die Oberstufe, die sich im Kühn weniger sehen ließ. Im Kühn änderte sich das erst, als wir Oberstufe wurden, die Eule kam für uns auch nicht in Betracht. Hier gibt es daher auch nicht mehr zu berichten.
Nachtrag vom September 2012. Mit ca. 30 Personen auf einen Schlag war die Service Equipe der Eule mitunter überfordert. Das steigerte die Wartezeit zum nächsten Bier mitunter so lange bis Matthias Kress Christoph Bokelmann empfahl, doch den Wirt vom Tisch aus anzurufen und so sein Bier zu bestellen. Das klappte dann auch, aber nicht ohne den latenten Unmut des Chefs eneut anzuheizen.
Die Eule nennt sich jetzt Steakhaus, hat eine sehr übersichtliche Auswahl anzubieten, und Schnitzel sollte man hier eher nicht essen.
Nachtrag 2014: Der Service war bei Besuchen 2013 nicht besser, auch bei eier geringeren Gästezahl. Und auch 2014 hatte sich nichts geändert.
Fernsehen bedeutete für die in die Ko-Edukation eingebundenen Zuschauer Fummelstunde oder gespieltes Interesse. Das Programm wurde von einer Art Komitee bestimmt. Neben Nachrichtensendungen standen Krimis (Halstuch) oder fröhliche Abende mit Anneliese Rothenberger und die Bembel–Sendung am Samstagnachmittag auf dem Programm, Musik Willi Berking. Und natürlich viel Sport, Skispringen mit Helmut Recknagel gegen Veikko Kankkonen oder Sony Liston im Ring.
Frühstück: Neben Brot, Marmelade, Tee und den üblichen Zutaten, es gab keine Brötchen, nahm man sich nach Rückgabe des Geschirrs die in gebrauchten „Kernige-Flocken“- Tüten verpackten dicken Brot Bemmen als Schulbrot mit. Meistens waren sie mit einer zu fetten, kaum streichfähigen Wurstart belegt, so dass die Brote noch dicker wurden, nie lecker.
Garage: Im neuen Alumnat gab es eine schicke Doppelgarage, unter der Wohnung von Frau Schmid und dem Aufenthaltsraum der Damen gelegen. Diesen Parkraum zierte bald ein weißer FIAT (Fix It Again Toni) 1500, Bj. 1964, den Herr Clausen –so ist fest anzunehmen- nach einschlägiger Beratung seiner Insassen aus der Mittelstufe zulegte. Dort wusste man alles über moderne Autos. Als Alternative stand ein Ford 12M zur Diskussion, der aber wg. schlechter Straßenlage (hob in Kurventests ein Hinterbein) und dem unter dem Armaturenbrett durchgehend offenen Raum überhaupt nicht erst hätte in Betracht gezogen werden sollen. Der FIAT mit seinen Abmessungen, seinen blauen Sitzen und der klaren Linie war Spitze. Wie gut er war, zeigt sich heute bei einem Besuch in Kairo. Dort fahren von 82000 Taxis noch etwa 25 000 Clausen- FIAT 1500, man muss dann täglich an ihn denken.
Günther Drothler, der die Szene in Kairo bestens kennt, durfte nach seinem nur kurzen Aufenthalt im Solmser Hof später auch mit einem Auto seines Vaters aus Groß- Eichen anreisen, 1100er FIAT Neckar, noch weniger Straßenlage.
Gartenbank: Der Goggo von Herrn Rösch (wie konnte mit solchen Geräten Deutschland das Wirtschaftswunder schaffen?) wurde ab und zu auf die mit Holzlatten belegte Gartenbank vor seinem Fenster gehoben. Die Auslösung erfolgte mit einem Kasten Bier. Herr Rösch sah das bald sportlich, wahrscheinlich betrieb er sonst keinen Sport, und sicherte sich so unsere uneingeschränkte Sympathie.
Gräf: Wilfried Gräf war als Berliner Referendar zu uns gekommen, wohnte im früheren Wäschezimmer, das erste rechts im oberen Gang gegenüber dem Waschraum, später 'In der Lippe' bei Fam. Thom, unserer Reinigungskraft im ersten Stock (s. Reinigungsdienst).
Herr Gräf war angenehm, konnte Ovid's Philemon und Baucis erklären, unsere Nöte und Ängste aufnehmen oder mit uns auf dem Boden liegend Kräfte messen. Ein guter Zuwachs, leider nur für kurze Zeit.
Grull: Günter Grull wr ein alleseits beliebter Lehrer, den wir als Chemielehrer erlebt haben.
Wenn Kalium (K) ins Wasser gerät, gibt es eine exotherme Reaktion. Das Wasser brennt, die Flamme leuchtet violett. Das war ein beeindruckender Versuch.
Das Ei als Gegenstand eines Osmose - Versuchs mit der wöchentlichen Entwicklung der gut sichtbaren semi-permeablen Haut war ein anderes Highlight. h2so3 ist als schweflige Säure nicht mehr aus unseren Köpfen zu tilgen.
Neu für uns war auch die rechts an der Innenwand des Chemie -Klassenraums hängende Tafel mit dem Periodensytem der Elemente. Interessant war in der zweiten Reihe von unten das Uran,
das wg. der Kubakrise plötzlich für uns wichtig wurde.
Manche der Versuche konnte man nur mit Feuer oder Glut entzünden. Da der Bunsenbrenner nicht immer mit Gas versorgt war, musste sich Herr Grull mit dem eigenen Feuerzeug oder einer Zigarette
(Pall Mall, throughout) behelfen. Um diese danach nicht nutzlos wegzuwerfen und ihrem eigentlichen Zweck vorzuenthalten, wurde sie zu Ende geraucht. Am liebsten hätten wir alle solche Versuche
sofort nachgemacht, aber das blieb dem Lehrer vorbehalten, der während unseres Eigenstudiums im Nebenraum solche Versuche auch häufig ohne uns proben musste...
Seine sorgende Art, der gute Unterricht haben es ihm ermöglicht, von Laubach nach Hungen zu gehen, als Direktor des damaligen Gymnasiums.
Herr Grull war in seinem erfüllten Leben mit der Liebe zur Familie, der Schule, der Jazz - Musik und der Politik auf Kreisebene ein gesuchter Partner und Berater. Am 25.8. 2011 ist er im Alter von 81 Jahren verstorben.
Hackbraten: Hätte die Stadt Laubach im letzten Jahr meinem Wunsch entsprochen, die Laubacher Wappenfahne um einen Hackbraten zu ergänzen, müsste die Entscheidung heute revidiert werden: denn Laubach ist Hackbraten freie Zone geworden. Die nette Litauerin ist aus dem Kühn 'raus, der steht leer. Fritz Kühn's Nachfolger Georgios hatte noch das alte Rezept, sein Sohn zu Beginn seiner Zeit als Eigentümer der 'Dampflok-Grill' am Bahnhof auch noch. Aber der neunfache Versuch dort am 9.September 2012 war mehr als ein Flop. Eine bröselige Masse Gehacktes, zu schnell angebraten, zugedeckt mit zu dicken, zu breiten und fetten Zwiebeln. Und fast ohne Soße. Und daneben Berge von Fritten, die wahrscheinlich selbst in Belgien nicht zum Hackbraten serviert würden.
In der Obere Langgasse gibt es gegenüber von Emelius ein Restaurant, das 'Litfäßchen', das auch Hackbraten anbietet, aber als Soße fast reines Maggi verwendet.
Wir sollten deshalb beim nächsten Treffen Hackbraten "Alte Frau Kühn" bei Elke im Garten selbst versuchen, ein wissender Mensch wird uns schon zur Seite stehen.
Laubach hat's heute schwer, das merkt man an der Gastronomie - auch die Hirschfrikadelle im Schloß ist zu - und wird zunehmend als Bikertreff populär, vor dem Sprung auf den Schottenring und die teurere Gastronomie dort. Und wer wollte ihnen das bei 33.- EUR die Nacht in einem ordentlichen Zimmer nicht als geschickte Planung bestätigen.
Jetzt muss also wieder ein fähiger Pächter in den Kühn, mit gutem Hackbraten im Angebot. Dann kann es im nächsten Jahr auch regnen, wir sind sicher!
Nachtrag 2014 (1): Ein Pächter ist gefunden, ein Grieche, der einen recht guten Hackbraten zustande bekommt, der allerdings doch leicht griechische Gewürzanklänge hat.
Nachtrag 2014 (2): Einen wirklich guten Hackbraten bekommt man in der ehemaligen Traube, die heute "Wirtshaus am Park" oder kurz W.A.P heißt: geschmacklich einwandfrei, sehr ähnlich dem von Fritz Kühn, mit einer guten Soße und mit Brot bestellbar.
Nachtrag 2015: DAS W.A.P. ist inzwischen auch Geschichte; es ist seit Februar geschlossen. Eine weitere Hackbratenquelle ist das "ALT-LAUBACH in der Kaiserstraße 3 (gegenüber der ehemaligen
"Zänglers Weinstube", die seit diesem Jahr als eine Art Bar wieder eröffnet wurde)
Heimfahrtsonntage begannen am Freitag nach der Schule für die meisten freudig mit einer Busfahrt zum Bahnhof Hungen. Der bahntechnisch schön angelegte Laubacher Bahnhof war schon nicht mehr in Betrieb.
Wer Heimweh hatte, fuhr auf jeden Fall nach Hause, und nur dorthin. Wer von diesem Trauma nicht betroffen war, fuhr auch gern mit anderen nach Hause und lernte so viel kennen. Für diejenigen mit einer festen, im Aufbau begriffenen oder kritischen Beziehung waren es bittere Fehltage.
Die Fahrt nach Hause war in den jüngeren Jahren vornehmlich vom Familienkontakt geprägt. Wenig später dann, Familie mit Eltern, Großeltern, Tanten wohnten im Ort, war der Sonntag unmittelbar vor der Rückreise mit dem Zug immer anstrengend. Der Besuch beim Mittagessen konnte nicht schnell genug vorüber gehen, als Nachtisch wurde Bares erwartet. Wenn je zwei Opas oder Omas in der Nähe wohnten, versuchte man den Abschied mit jedem einzeln. Hier musste der Aufenthalt noch kürzer ausfallen, denn schließlich sollte man sich auch von Onkel und Tanten verabschieden. Die Hetze erbrachte eine ansehnliche Beute von mehreren monatlichen Taschengeldsätzen! Und da Heimfahrtsonntage alle vier Wochen stattfanden, lebten wir gar nicht schlecht.
Stieg man so zufrieden in den Zug nach Süden, musste der -etwa nach der Station Kassel- auf dem rechten Gleis in Richtung Gießen fahren. Bog er in Guntershausen nach links ab, fuhr er die nicht gebuchte Richtung und kam in Frankfurt an. Da um die Uhrzeit kein Zug nach Hungen fuhr, übergab die freundliche Bahnpolizei den Reisenden in die sorgenden Hände des ehrenamtlichen Personals der Bahnhofsmission.
Dort saßen im schmucklosen Warteraum die Gestrandeten, die Betrunkenen schliefen schon mit dem Kopf auf der Tischplatte.. Sie erhielten kostenlos Tee oder Kaffee und eine mit Margarine geschmierte, unbelegte Stulle. Die erinnerte nur im Vorbeigehen schon an Frau Hermanski (s. Frühstück).
Das Kellergeschoss war für Frauen reserviert. Da im Parterre nur Männer saßen und Obdachlose auch nicht in den Genuss eines Feldbettes und einer grauen Wolldecke mit der schwarzen Aufschrift ‚Bahnhofsmission’ kamen, war das Untergeschoss also mit echten, gestrandeten Reisenden belegt. Allein die sichere Erwartung des kratzenden Deckengewebes hielt davon ab, freiwillig einen solchen Ort aufzusuchen.
Die fürsorgliche Dame geleitete den Reisenden über die Wendeltreppe in die Damenabteilung, hielt inne und rief mit fester Stimme in den großen Raum: „meine Damen, heute bitte nicht so weit ausziehen, wir haben Herrenbesuch“. Schade.
Diejenigen, die noch nie im Urlaub oder im Ausland waren, fuhren gern mit anderen Mitschülern nach Hause. Das war immer schön, interessant, brachte viele neue Eindrücke.
In der Akademie ev. Arnoldshain, bei den drei Renkewitz –(Alumnats-) Geschwistern bestand der Vater am Sonntagmorgen nach dem Gottesdienst auf einer Sonderstunde Lateinunterricht. Dafür, das wusste man, war im Sommer eine Tour nach Holzschlag im Schwarzwald drin, inkl. erstem Auslandsaufenthalt in der Schweiz und unbekanntem Früchtejoghurt von Migros.
Mit den Jahren änderten sich die Interessen. In einer bestehenden Beziehung mit einem der Mädchen aus dem Hause fiel ein Wochenend-Abschied schwer. Mitfahren konnte man auch nicht, dazu war die Zeit noch nicht reif, aber man trat zu Hause verändert auf. Die Sammelaktion für das Geld musste in noch kürzerer Zeit erfolgen, denn jetzt musste man einen früheren Zug nehmen....Unterwegs traf man sich spätestens in Gießen mit der Lieben und war wieder in der eigenen Welt angekommen. Die Freude auf Heimfahrtsonntage nahm auf diese Weise ab, es wurden mehr und mehr die Tage der Verbannung aus der eigenen, neuen Welt.
Hessenbrücker Hammer, bei Paul Brandt erwähnt, soll hier nur stehen, weil kaum ein oberhessisches Wort mit 3 r so schön zu rollen war.
Das erinnert an das Gießener Lied: „ Seihste net de Säu im Gadde, seihste weih se wäule, weih se tiefe Löcher grabe, in de ruude Räube….“
Heuschnupfen: Die Zeit des Pollenflugs war immer kritisch, auch für Nicht-Allergiker. Theo Clausen war vom Heuschnupfen geplagt, und zwar heftig, manche Nacht wurde so sehr kurz.
Für uns bedeutete das größte Vorsicht. Wenn bei Gerolf gepokert wurde (s. Einsteigen), die Nacht in den Tag überging und die dicke Decke vor dem Fenster zuverlässig den Lichtschein in den Garten verhinderte, musste man genau hinhören. Vernehmliche Schritte im Parterre, dann im Keller, waren um 3:00 nachts Heuschnupfengänge. Theo Clausen konnte nicht mehr schlafen und widmete sich der Reinigung von Trainingskleidung mit den Waschmaschinen im Keller.
Bei aller Konzentration auf die Karten mussten wir bei angelehnter Tür Rücksicht nehmen auf die schlafende Umgebung und aufmerksam nach unten hören, sollten die Schritte näher kommen. Es ging immer gut.
Internatskosten: Was kostete damals eigentlich ein Monat im Alumnat? Waren es 180 DM, kann das sein?
* Das Singalumnat kostete 1950 im Monat 100 DM. Bis 1961 war der Singalumnatspreis auf 230 DM gestiegen, 1968 auf 330 DM. *
Kleines Göbel: Das kleine Café Göbel am unteren Ende des Marktplatzes wurde von uns nicht oft besucht, hatte nur Flaschenbier, aber guten Kuchen und Kaffee. Ein Vorteil war das große Fenster mir freiem Blick auf den Marktplatz,
Wenn am letzten Tag vor den Ferien ein Mitschüler nach erfolgloser Suche in den anderen bekannten Orten im kleinen Göbel fündig wurde und verkündete; “Du sollst sofort zum Korth“, war der erste Gedanke „Pfefferminz“. Davon wurde am Tresen eine ausreichende Menge gekauft und auf dem Weg zur Schule frischer Mundgeruch aufgebaut.
Dort angekommen, wurden die anstehenden Ferien durch eine Mitteilung vergällt: „Die Lehrerkonferenz hat Dich versetzt, aber nach den geltenden Richtlinien dürfen wir Dich ohne ausreichenden Ausgleich nicht versetzen, wir werden die Schulbehörde um eine Entscheidung bitten“.
Nach den Ferien bin ich siegesgewiss mit meiner Klasse in den neuen Raum eingezogen, als nach etwa einer Woche Dr. Korth selbst kam und vor der Klasse meine Versetzung verkündete!
Diese Haltung, die Sorge um uns war nicht nur sympathisch, sie war das prägende Gesicht der Schule. Eine ähnliche Fürsorge dürfte es in Stadtschulen nicht gegeben haben.
Ko-Edukation "Der Ausdruck Ko-edukation (von lateinisch 'con' = zusammen + 'educare' = erziehen; einst oft Gemeinschaftserziehung) bezeichnet im Allgemeinen die gemeinsame Bildung von Jungen und Mädchen."(Wikipedia)
Ko-Edukation war ein Wort, das wir vor der Eröffnung des Neubaus GFMA noch nicht gehört hatten. Bei der Übergabezeremonie des Alumnats an seine Bewohner fand im Speisesaal der Festakt statt, bei dem unvermeidliche Reden gehalten wurden, allerdings auch von Pastor Martin Niemöller!
Die Mutter von Beate (wo ist sie?) und P.G. (Pidschi) Hübsch war Vorstandsmitglied im Landeselternbeirat und hielt eine Rede, in der das Wort Ko-Edukation vorkam. Das hatte mit Jungen und Mädchen zu tun und gemeinsamer Erziehung, mehr blieb nicht hängen, war aber auch schwer genug.
Wie erschreckend konservativ man diese moderne Form des gemeinsamen Lernens für das Leben interpretieren konnte,
zeigt ein Blick in Berichterstattung des Gießener Anzeigers, der hierzu Direktor Korth ausführlich zu Wort kommen lässt. Aber das war seine theoretische Sicht der Dinge, wir waren das Leben!(s.
unter GFMA; die Zeitungsausschnitte wurden v. Gudrun Demmer beigesteuert).
In diesem Moment einen Gedanken an Pidschi. Es war keine einfache Zeit für ihn und Theo Clausen, da kam es auch schon mal zu Handgreiflichkeiten (1. Stock, links neben den Toiletten), die letztlich zur Relegation führten. Pidschi ist nach einem zackigen Leben, fleißiger Schriftstellerei und gläubiger Aufklärungsmission im Januar 2011 gestorben.
Krankfeiern: Es gab Anlässe, zu Hause bleiben zu müssen, im Bett. Ein Buch (gab es damals schon/noch) mit Spannung zu Ende zu lesen, oder –viel wichtiger– den Paketboten abzuwarten. Der kam vor 10:00 h und legte die Päckchen im Erdgeschoss ab, im Raucherzimmer cum Bibliothek neben dem Aufenthaltstraum und an der Treppe zur Küche und Turnhalle gelegen.
Kamen Päckchen längere Zeit nicht unaufgefordert von zu Hause, schrieb man Brandbriefe, das half. Um die Sorge der Lieben daheim um den Jungen wissend, ließen die Päckchen nie lange auf sich warten, man konnte sie zeitlich abpassen. Nach kurzer Probezeit war das Zeitfenster so genau zu bemessen, dass eine Krankheit selten länger als einen Tag dauern musste.
Als Einzelkind das Teilen mit anderen erst erlernend, musste man strategisch vorgehen. Studentenfutter und Plätzchen gingen als niedere Ware an die Allgemeinheit, Wurst, Schokolade und natürlich Geld wurden für den Eigenverbrauch versteckt. Geld gab es auch als Briefbeilage (s. Taschengeldausgabe).
Bei der selbstbestimmten Krankmeldung konnte es zu Komplikationen kommen, die selbst Krankenhauspatienten kaum überlebt hätten.
Am Bett war eine kleine Leselampe befestigt, eigentlich nur eine Birne mit einer Klemme und einem kleinen Hütchenschirm, der mit seinen zwei innen befestigten Drahtschlaufen auf die Birne gedrückt wurde. Wählte man die Diagnose „Fieber“, hielt man das Thermometer an die Birne und senkte die dann schnell erreichte Maximaltemperatur auf etwas über 38 Grad. Wenn diese Absenkung noch nicht erfolgt war, der Chef plötzlich im Zimmer stand und das Quecksilber mit 42 Grad überprüfte, war die Paketaktion gelaufen und mittags der Päckcheninhalt zu teilen, bis auf das Geld.
Eine andere Variante war die Einnahme von Zahnpasta in einer größeren als der Haushaltsmenge, etwa eine halbe Tube. Das erhöhte die Temperatur deutlich, aber die Einnahme musste vor 6 Uhr erfolgen, eine Abwägungssache.
Kubakrise: Die Welt stand am Abgrund eine Weltkrieges, wir auf dem Schulhof. Da haben wir auch in jungen Jahren gemerkt, wie um uns herum überlegt wurde, was zu tun wäre wenn… Wir hatten unsere eigenen Vorstellungen und diskutierten die Verlagerung unseres Lebensmittelpunkts in die Berge, dort sei es sicherer…Kennedy hat uns dann doch den Ausflug vermasselt.
Küche: Die Küche wurde von 4 Frauen dominiert: Frau Schmid als Oberaufsicht, Frau Hermanski als Köchin, und den Küchenhelferinnen und Spülerinnen Rosel und Vroni. Diese beiden Damen vermittelten ein sehr ursprüngliches Laubach, wahrscheinlich wohnten sie in der Nähe von Schreinersohn Teichner („noch sibbe Minude“) im grünen Meer, wo wir uns damals wegen Sprachproblemen nur bei Spendensammlungen hin trauten („Mir habbe naut, mir gebbe naut, un mir wulle aach naut“).
Vroni war stark rothaarig. Sie hatte einen breiten, schmalen Mund und sehr gute Zähne, die heutiger Prothetik alle Ehre machen würden. Ihre Oberlippe war durch einen kräftigen, roten Damenbart gekennzeichnet. Wenn Vroni lachte, der breite Mund sich öffnete, die Zähne bleckten und der Damenbart noch breiter wurde, sah sie furchterregend aus, fast angriffslustig wie ein Vamp aus der Wilde Mannsgasse.
Ganz anders die Rosel. Sie trug eine Brille mit sehr dicken Gläsern, durch die sie auch nicht viel zu sehen schien. Wenn sie einen anschaute, nahm sie den Kopf leicht zurück, was die Nase nach oben zeigen ließ. Dies vermittelte den Eindruck einer zum Sehen zusätzlich erforderlichen Witterungsaufnahme mit dem Gegenüber.
Beiden waren lieb und sind uns ein Andenken wert.
Frau Hermanski auch, aber sie war anders. Sie hatte neben ihrer Hauptaufgabe als Köchin (bei mehreren lokalen Köchen wäre sie die Chefköchin gewesen) die Rolle einer leitenden Redakteurin. Wenn man etwas verbreiten wollte, sagte man es ihr. Unangenehm war nur, dass sie auch petzen konnte und damit nicht unser Vertrauen hatte. Wenn Eltern oder Verwandte feine Sachen brachten und auch sie bedacht wurde, um den Jungen bestens zu pflegen, endete bei ihr die Gleichbehandlung.
Während unserer Nahrungsaufnahme (wenn es Arme Ritter oder Milchreis gab, war das kein Essen) stand sie an der offenen Durchreiche und schaute zu, immer mit leicht geöffnetem Mund und einem verhaltenen Lächeln, das man auch als kritisch ('wehe, es schmeckt Euch nicht') lesen konnte.
Und sie musste dort stehen, denn zur Essenszeit kamen die Anrufe von zu Hause. Das Telefon stand sinnvollerweise in der Küche, in einer gefliesten Nische gegenüber dem großen, nach vorne über eine Kurbel schwenkbaren Brat- und Suppengarer mit imposanten Nirostadeckel, der mittels eines seitlich sichtbaren Rundgewichts stufenlos in Position gehalten werden konnte.
Die Telefonate, sicher meistens naiv offen geführt, wurden von der leitenden Redakteurin gern mitgeschnitten.
Kühn: Dass der Kühn immer Kühn bleiben müsse, forderten wir schon damals. Heute heißt er immer noch so, obwohl sich die Familie längst aus dem Geschäft zurückgezogen hat. Kühn war Kult. Wir kannten den alten Herrn, seine Frau am Herd, Fritz mit Frau Gerda und Elvira; die zweite Tochter (sie hieß Marion) haben wir altersgerecht nicht mehr wahrgenommen.
Herausragend war natürlich der Hackbraten, unser Nationalgericht. Müsste Laubach heute nach einem neuen Stadtwappen suchen, sollte es der Hackbraten in der Mitte sein. Der Kühn – Hackbraten (2,40 DM, später 2,75 DM) war einzigartig und konnte nicht besser sein. Die Zwiebeln waren immer à point, die Soße zog sich ohne Zutun in die frischen Brotschreiben, beides ergab ein unbeschreibliches Geschmackserlebnis. Das Hack, locker, oben und unten leicht gebräunt, eine gute Portion für hungrige Mägen, die Extraklasse. Ein Bier dazu und die Welt war in Ordnung. Heute fällt auf, dass Frau Hermanski sich nie an einem solchen Kunstwerk versuchte.
Wenn im Kühn Leichenzüge geknobelt wurden, musste man sich überlegen, wie man beim Abendessen im Alumnat noch würde auftreten können. Saß man an einem Tisch nahe dem Eingang, war es relativ sicher, weiter vorn oder am Haupttisch wäre es ohne Abtrocknen und Ausgangssperre (s.d.) kaum abgegangen, es gab einfach zu viele Knobelzüge mit Bier, Schnaps und Zigarren.
Fritz Kühn ließ anschreiben, kommod die Möglichkeit der Überbrückung finanzieller Engpässe bei weiter anhaltendem Durst (s.Taschengeldausgabe).
Besonders kultig war die Pfanne, in der v.a. die alte Frau Kühn die Hackbraten und feinen Schnitzel garte. Aus Eisen geschmiedet, wurde sie nur mit Wasser und ohne Spülmittel gereinigt und setzte im Laufe der Jahre an den Rändern eine ordentliche schwarze Kruste an, das förderte den Geschmack. Diesem Vorbild folgend, war die Anschaffung einer gleichen Pfanne (kleiner) ein Muss, die den Gedanken an selige Besuche beim Kühn wöchentlich wach hält.
Beim einem Alumnatstreffen sollten wir den Kühn belegen und in der Küche einen Hackbratenwettbewerb veranstalten „wer schafft den besten Kühn“. Ich stifte eine neue Pfanne, die dem jeweiligen Jahressieger(auf Stiel graviert)übergeben wird und am Großen Ende in das Museum am Schulhof wandert.
Im PG–Glossar von Pali Brandt wird auf die Präsentation des gezapften Biers durch Elvira hingewiesen und dies als ein lasziver Vorgang beschrieben. Diese Wahrnehmung ist durch die mit Mädchen nicht in Berührung gekommenen PGler verständlich. Für uns war Elvira keineswegs die begehrenswerte Elfe, wir hatten sie quasi freigegeben und haben den eigenen Turf gepflegt.
Und ein gut gezapftes Bier war beim Kühn auch nicht zu kriegen. Wir tranken meist aus den unattraktiven 0.4 Gläsern, die die Blume nicht lange hielten. Auch wurde kaum vorgezapft, das Einschenken nicht gepflegt, aber das war damals alles egal. In den Gemarkungen Freienseen und Mücke gab es schließlich Kneipen, die nicht einmal Zapfbier verkauften oder Gläser anboten. Kühn war genau unser Maß
Hier muss einmal ein Einwurf her:
Elvira war für einige (wie den Autor oben) zu jung, wie für uns ihre jüngere Schwester Marion (ca Jahrgang 56), für andere war sie genau im richtigen Alter (so ca. Jahrgang 52). Und das von ihr verzapfte Bier schmeckte objektiv einfach besser, weil kultivierter gezapft als von Papa Fritz. Sie lebt heute in Laubach (Joh.-Seb.- Bach Str.) und ist verheiratet.
(Ralf L.)
nee, zu jung eigentlich nicht, aber wir waren bestens versorgt!! WB
Heute (31.08.2012) werden im Kühn die (vorläufig) letzten Biere gezapft. Hackbraten gab es schon am letzten Samstag nicht mehr. Warum? Die noch aktuelle Wirtin hört auf, aus "persönlichen Gründen", wie sie sagt. Von einem Nachfolger wußte niemand etwas.
Viele Stammgäste hoffen, dass der "Kühn" bleibt, und dass er möglichst so bleibt, wie er fast immer war. Mit Hackbraten!
Inzwischen (seit 2013) gibt es den Kühn wieder, er heißt jetzt "Symposium zum Kühn". Pächter ist Jorgos, ein Grieche, der, wie ich glaube, die genau richtige Einstellung für das Lokal hat. Es macht Spaß, da ein (oder mehrere) Biere zu trinken!
Laubach "gehörte uns“, aber wir gehörten kaum dazu. Wir nahmen den Ort in Anspruch, haben uns auch wohlgefühlt, aber es blieb ein großer Abstand zu den Laubachern.
Mit Mädchen unterm Dach, der Scheune und sonstigen Hobbys hatten wir eigene Interessen, unsere Welt. Wir wurden gern an den Fixpunkten gesehen, beim Kühn, kritischer im Göbel (zu langes Sitzen bei 1 Tasse Kaffee und dem Nusstörtchen), in der Bücherstube, oder beim Friseur Kircher, der heute noch gut von den Kollegiaten lebt.
Wir waren der eigenen Welt versprochen, hatten selbst über die Unterrichtszeit hinaus wenig Kontakt mit PGlern oder den Chorknaben.
Den Laubachern gegenüber traten wir nicht arrogant auf, aber das Gymnasium war immer etwas Eigenes im Ort, ein Kosmos, ein organischer Fremdkörper, ein Wirtschaftsfaktor.
Die über 400 jährige Tradition der Schule kam nie richtig zur Geltung und konnte keine größere Bekanntheit erhalten, wenn auch die Singalumnen in ihrem Rahmen kräftig dafür warben. Der notwendige Schulterschluss der Stadtführung mit der Schule zu historisch-kulturellen Interessen war nie intensiv. Mit Herrn Dr. Rodenhausen hätte ein guter Mittler zur Verfügung gestanden, historisch begleitet von Herrn Dr. Mack.
Laubach heute:
Laubacher Wald ist die Gaststätte, die im Juli 2011 an einem Tag Rehleber anbot, eine seit den 60er Jahren im Hause Boucsein in Arnsberg nicht mehr erlebte Köstlichkeit.
Für uns war dieser schöne Ort damals ein recht sicherer Platz, leicht unterbewertet, gut mit dem Fahrrad zu erreichen, einladend für einen gepflegten Schluck und ein Zigarettchen.
Der Herr am Nebentisch beugte sich rüber und sagte mit beruhigender Stimme: “bestellt Eurem Direktor einen schönen Gruß vom Gott“. Es war Herr Gott von der Kreisschulverwaltung, für uns war der Tag gelaufen. Beim Abschied versprach er, Herrn Dr. Korth nichts zu sagen, und das hat der liebe Gott auch gehalten.
Lehrer waren der Fokus unseres Lebens, sie zu beobachten war wichtig, ihre Körpersprache bei Begegnungen zu deuten. Was daraus dann entstand, wie wir sie mit welchem Rating einschätzten, sollte hier einer neuen, gemeinsamen Ausgabe vorbehalten bleiben. Eines ist sicher: als Ratingagentur waren wir brutaler als die Profis heute.
Ein paar Lehrer gibt es hier zu sehen!
Liebesbank: Der normale Weg zur Liebesbank führte die Königsberger runter bis In die Steinbach, an der linken Ecke das Haus Gelhaar mit Massagepraxis. Die Tochter hätte gern einen Alumnen näher kennengelernt, passte aber nicht ins Beuteschema und besuchte außerdem die Realschule.
Gegenüber der schicke Bungalow der Hellwig – Familie mit 5 Töchtern in jeder in Frage kommenden Altersklasse.
Da man zumeist allein zur Liebesbank ging, selten aber ohne Verabredung war, sparte man sich den Blick über den Hellwig – Zaun und folgte der Straße, vorbei an der Villa Schönhofen, dem Haus Hentrich, dem mächtigen Flachdach der Familie van Straaten bis zu den Schorkschen Teichen, unterquerte die Bahntrasse, folgte und überquerte die Wetter (s.Wetter) und sah dann bei 11 Uhr bereits die Bank. Man ging immer schnell dorthin!
Warum sie so hieß?, nun ja. Hier setzte man sich erst einmal ab, überprüfte die Gesamtlage, kam sich evtl. näher. Um diese Entwicklung nicht länger zur Schau stellen zu müssen, wurde der angrenzende Wald mit seinem Angebot billiger Halimasch – Pilze (s. Wiemer) gern als Schutzraum aufgesucht, fertig!
Die Bank wurde aber auch wissenschaftlich genutzt, etwa als Labor bei einer der begehrten Bio–Exkursionen mit Frl. Dr. Neubauer (Lurchi). Wir wurden mit einem Schmeil – Bestimmungsbuch ausgestattet und sollten, um die Liebesbank im Gras verstreut liegend, Gräser bestimmen.
Auch weil Adalbert ein Gras sehr deutlich als Affenbrotbaum identifizierte („Frollen Dr.,ich hab’s“), in einer anderen Stunde im Klassenzimmer den Schirm aufspannte und auf Befragen antwortete „weil’s regnet“, durfte er im Abi ein paar Gräser bestimmen, aber auch diesmal fehlerhaft und mit Folgen.
Auch die Liebesbank gehört in den Denkmalschutz–Katalog, genauso wie die Schutzhütte auf der Ringelshöhe.
Dieser ausnahmsweise sinnvolle Denkmalschutz hat schmählich versagt! Bei einer Ortsbegehung am 6. 10. 2011 mussten wir schon von Ferne Gebüsch statt Bank erblicken, vertrauten aber mehr der Vergangeheit; die Bank musste also dort sein. Sie würde, romantisch von gesunden Sträuchern umrangt jenen Schutz bieten, der damals so vermisst wurde.
Aber sie war nicht mehr da, musste gemäß geltenden Erwartungen an unseren Denkmalschutz ersetzt werden.
Am 8.9. 2012 erfolgte die die Übergabe der neuen Bank an die Stadt. Ein Messingschild kündet: "Liebesbank, gestiftet von den Ehemaligen des Clausen-Alumnats der Paul - Gerhardt - Schule, den Bürgern und Bürgerinnen der Sadt Laubach als Dank."
Damit wäre die Welt wieder in Ordnung, auch wenn der Bauhof die Bank wenige Meter vom Urspungsort nach rechts
versetzt aufgebaut hat. Am alten Platz(s.u.) konnten noch vermooste Reste der Originalbank gefunden werden. Die Zusammenarbeit mit Bürgermeister Klug und dem Bauhof war tadellos.
Maikranz: Familie Maikranz gegenüber dem Alumnat war Teilhaberin einer Tiefbaufirma Gebr. Maikranz. Kontakt gab es zu der Familie nicht (warum eigentlich, sie hatten Töchter in adäquatem Alter...), wie eigentlich kaum mit echten Laubachern, Ausnahme Kühn usw. Zu einer Zeit parkten vor der Liebesbank (s.o.) zahlreiche Großmaschinen aus dem Maikranz- Fuhrpark. Caterpillar - Raupen D4 u. D6, Grader, Kipplader u.a.m. Wie herauszufinden war, ließen sich alle Fahrzeuge mit einem gebogenen Nagel starten, und so fuhren alle umeinander. Mit Maikranz und seinem Bruder hatten wir nicht gerechnet, als sie im VW – Bus am Tatort aufkreuzten.
Wir rannten (verstreut) weg, den licht bewaldeten Abhang hoch, verfolgt von Nachbar Maikranz. Oben angekommen, stand der Bruder mit Auto vor uns, der sehr schnell die Strecke über das Müttergenesungsheim, vorbei an der Fehrentz – Ranch zu uns geschafft hatte. Wir wurden ‚festgenommen’, mussten außer einer Entschuldigung aber weder von unserem Verfolgern noch von Herrn Clausen Strafe erfahren. Lediglich das Verhältnis zur Familie Maikranz kühlte weiter ab.
Mädchen: Zu Ostern fand der Klassenwechsel statt, Freunde gingen, Fremde kamen. Das Zahlverhältnis von Jungen zu Mädchen benachteiligte uns. Umso wichtiger war es, die Neuzugänge sehr schnell zu sichten, seine Wahl zu treffen und mit der jedem eigenen Methode die Balz zu beginnen. Neben den Bemühungen für den eigenen Bedarf und Erfolg musste sichergestellt werden, dass selbst (vorläufig!) Übriggebliebene nicht in die ungeübten Hände der PGler oder eines der vielbeschäftigten Sängerknaben fielen.
Die Anwesenheit der Mädchen morgens, mittags, abends kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden, schon gar nicht in pubertierenden Lebensabschnitten. Es war ein gutes Miteinander, nachdrücklich auch wg. der täglichen Beziehungsdramen, gute Schule. Es war ein echtes Leben und nicht nur zwischen 8 und 13 Uhr in der Schule, herrlich.
Gut zu hören wäre, wie das Verhältnis zur Jungenschar auf der anderen Seite empfunden wurde.
Die beiden Alumnatsgebäude waren durch einen gläsernen Übergang (Seufzerbrücke) verbunden, die abends abgeschlossen wurde. Dass es auch andere Zugangswege gegeben haben soll, war zu hören (s. Verbote).
Mönnig Feinkost Mönnig war ein Geschäft am Ende der Straße Im Hain, in der Dr. Korth wohnte, um die Linkskurve herum Dr. Röschen, gegenüber von Dr. Ammon. Möning lag an der Treppe, die zur Bahnhofstrasse führt.
Das Ehepaar Mönnig hat man nie gesehen, aber eine hübsche, für uns damals zu alte Verkäuferin, evtl. die Tochter. Hier gingen wir gern hin, auch wenn nicht immer in lauterer Absicht.
Mopedkeller, wie das Verlies im Kellerbereich des SH mit allerlei abgelegten Sachen, Dekorationsmaterial, Farben, Werkzeug und einer Werkbank, belegt von einem Radiobastler auch genannt wurde.
Interessant war das dort aufbewahrte Moped, mit dem wir nachts um 1:00 h den schmalen noch verfügbaren Gang in dem Raum auf und ab knatterten, es hörte niemand. Früher war hier wohl eine Kegelbahn, rechts daneben lag Bremters Heizungskeller. Später gab es hier die Pony Bar.
Die Pony-Bar wurde erst etwa 1966 oder 67
eingeweiht, in dem oben beschriebenen Bremter'schen Heizungskeller. Daneben war die Kegelbahn, die auch wieder in Betrieb ging und zu der erst später ein Durchbruch von der Pony-Bar aus gemacht
wurde. Geführt wurde sie von Rainer, dem etwas halbseidenen Sohn des Wirts des "Solmser Hofs". In den 1970ern war sie mal zu, dann wieder offen, dann wieder zu, keiner wusste warum. Aber a)
war sie dunkel, b) gab es Musik und c) war der Besuch verboten. Ach ja, d) kamen da auch Laubacher Mädels hin. Also vier Gründe,
sich dort ab und zu mal sehen zu lassen. Und Getränke (fast) wie in einer Bar gab's da auch.
(Ralf L.)
Muttertag wollten wir unsere Mütter stets besonders erfreuen. An dem Tag war immer Heimfahrtsonntag, also konnten auch Geschenke überbracht werden. Die Natur hatte es eingerichtet, dass just zu diesem Wochenende die Tulpen in ihrer Hochblüte standen und „ernte mich“ riefen. Da musste geholfen werden! In einer Nachtaktion wurden alle in den ausgedehnten Gärten auf dem Weg in die Stadt wachsenden, (alle!) Tulpen vermessen und sichergestellt. Im Alumnat wurden sie zu üppigen Gebinden in die schwarzen Gummipapierkörbe mit frischem Wasser gestellt und über Nacht in den Kofferfächern der Zimmerschränke aufbewahrt.
Am nächsten Morgen durften interessierte Mitschüler die Gebinde für 5 DM pro Strauß erwerben. Nach der Schule reisten alle mit Blumen nach Hause, die ansehnlich in alte Zeitungen gewickelt waren.
Ein Hobbygärtner aus dieser Anlage hatte 3 ganz besonders langstielige, kerzengerade gewachsene gelbe Tulpen im Garten, in jedem Jahr wieder. Im Mai 1966 war es soweit: die 3 wurden der Sicht des Betrachters entzogen und in das Zimmer gebracht, aus dem auch ausgestiegen wurde (s. Aussteigen). Da sie für den Papierkorb viel zu lang waren, wurden sie gekürzt. Als der Hobbygärtner am nächsten Morgen die Polizei ins Haus schickte und nach dem Diebesgut fahnden ließ, betraten Frau Clausen und der Polizist auch das Zimmer des Neueigentümers. Gerrit lag im oberen Bett so geschickt camoufliert(die leichteste Übung), dass man ihn von unten nicht erkennen konnte. Er hörte nur noch den Polizisten sagen: „die sind zu kurz“.
Müller: Frau Müller, die Mutter von Gackel, führte über viele Jahre das Schulsekretariat, in unserer Wahrnehmung gut und emotionslos. Das war u.a. bei Vorladungen zu Dr. Korth hilfreich, denn man erfuhr nicht schon von der Sekretärin den Grund der Abreibung. Hinterher stand Frau Müller für ein tröstendes Wort zur Verfügung, mehr konnte sie nicht (mehr) tun. Eine gute Zeit mit ihr!
Neserke: Hansi Neserke war eigentlich viel 'zu alt' für unsereins, aber er beeindruckte durch seine Erscheinung und vermittelte den Eindruck gelebter Unabhängigkeit.
Er fiel an einem Faschingsfest auf, silbrig gefärbte Haare, grauer Frack mit Weste und gleichfarbenem Zylinder. Die Zigarre fehlte nicht und mag in Kombination mit dem Alkohol zu den Schwankungen geführt haben, die auf dem Treppenpodest vor dem Mittelgang im Solmser Hof den fortgeschrittenen Abend andeuteten. Diesen Zustand durften diese Herren damals erreichen, wir blickten auf.
Hansi verließ uns dann bald und tauchte wenige Jahre später in einem roten Triumph TR 3 wieder auf. Der offene Sportwagen, dominant durch ein sattes Sauggeräusch des Kompressor-Motors war die Wahl der Jugend. Bei Fahrten nach Grünberg und Schotten (170 km/h Höhe Hustenburg) wurde klar, warum man später unbedingt das Abitur schaffen musste.
Laut einiger gleichlautender Meldungen soll Hansi nicht mehr am Leben sein.
Organ: Die tiefe Stimme und eine nie wieder erlebte Fähigkeit des Brüllens zeichnete Theo Clausen aus. Ein derart angebrüllter Sextaner musste mit Gleichgewichtsstörungen rechnen, aber auch die oberen Ränge waren stets beeindruckt. Eine solche Fähigkeit kann man nur erwerben, wenn man sein Leben maßgeblich in einer Turnhalle verbringt.
Paris: Die Klassenfahrt im Frühling unseres Abiturjahres führte nicht von ungefähr nach Paris. Herr Hagemann, unser Klassenlehrer unterrichtete französisch, englisch und Erdkunde. Englisch wurde über Francis Bacon und ähnliche Größen vermittelt, immer mit einem höheren Anspruch als wir gerade in der Lage waren zu verdauen.
Aber französisch lag näher. Herr Hagemann war im Laubacher Vergleich eher der Typ des Bohèmiens, der Literatur, gutem Leben und einem gepflegten Tropfen immer zugetan. Und dieses großbürgerliche Bild eines erfüllenden Lebens wurde als pädagogischer Eigenanspruch deutlich bei Planung und Durchführung der Parisreise. Paris war durch ihn gesetzt, mochten die anderen nach Rom fahren ohne ein Wort italienisch gelernt zu haben, wir waren schließlich französisch vorgebildet (s.Abitur) und hatten das Recht, dieses Leben auch real erfahren zu dürfen.
Für Paris hatten sich Herr Hagemann, seine Gattin und Referendar Rebscher (s.Referendare) viel vorgenommen und auch eingelöst, es wurde eine entspannte Erlebnis-, Studien und Genussreise.
Vor dem Genuss stand allerdings der Bezug der Unterkunft in der Rue Victor Massé No. 9, nicht ganz weit weg von Pigalle und neben einem Bistro gelegen, das von Marcel geleitet wurde, wie sich bald herausstellen sollte.
Im Erdgeschoss unserer Jugendherberge rechts wohnte das Ehepaar Hagemann in einem eigenen Apartment, wir durften in den großen Schlafsaal hoch, der sich durch einen Hauptsaal und eine große Empore auszeichnete. Wir bewohnten die Empore und hatten immer freien Blick auf einen Japaner, der vollständig angezogen und zugedeckt im Bett lag und Pfeife rauchte. Er lag wohl während der ganzen Zeit dort, lebte aber noch.
Die Damen waren in einem separaten Zimmer untergebracht, Versuche nächtlicher Überfälle scheiterten. Die Unterkunft war karg, so das Frühstück mit den Pötten von Café au lâit, kaum trinkbar. Rügenwalder Teewurst und Croissant gingen nicht gut zusammen, also musste der Toast für die wohlweislich mitgebrachte deutsche Köstlichkeit das Substitut sein. Das war schnell gegessen, und ab ging’s zu Marcel in die Kneipe, nein hier war das ein Bistro. ‚Un coup de rouge’ war die Order aus aller Munde, die sich schnell wiederholte. ‚Un coup’ hatten wir natürlich erst hier gelernt und nutzten es trefflich. Zu viel mehr verständlicher Konversation waren nur frankophile Bretagne Touristen wie Robert Opel fähig, der dann auch immer in der Gruppe bleiben musste.
Bei Marcel gab es auch ein besseres Klo als oben in der Herberge und dieses große, auf einen Metallhalter Maiskolben gleiche, gelblich marmorierte Seifenstück; wie die Toilette geschlechtsneutral und neben schon am frühen Morgen nassen Handtüchern prangend. Herr Rebscher holte uns ab, wir setzten uns in den Bus und lauschten Herrn Hagemanns Parole du Jour schon aus erheblicher Entfernung...
Aber an den Angelpunkten unseres Besuchs waren wir wieder da, etwa im Grand Palais, wo wir die erste großartige Ausstellung der Originale von Tut Ench Amun sahen, wunderbar dargeboten. Im Palais war auch- noch labortechnisch verkabelt- erstmals Farbfernsehen zu sehen, eine Premiere für Europa.
Im Jeu de Paume die Meister sehen zu können, die Monets und Manets, zu viele Impressionisten in einem damals für diesen fabelhafte Ausstellung zu kleinem Rahmen, großartig.
Das Marais mit dem Place des Vosges zu besuchen und ausführlich erklärt zu bekommen, gab es damals bestimmt bei kaum einem Reiseveranstalter, Herr Hagemann schien hier gelebt zu haben. Das hinterließ bei mir einen tiefen Eindruck, der bis heute anhält, und wo es ein Wohnungskauf schon einmal bis zum Vorvertrag brachte.
Versailles, der Louvre mit der Liese, das Quartier Latin, waren alles gesetzte Programmpunkte, aber Herr Hagemann wollte uns natürlich die frz. Lebensart zeigen, und was war besser geeignet als ein frz. Mahl. Er gab sich sehr viel Mühe mit der Planung und war-um es vorwegzunehmen- am Ende bitter enttäuscht. Das mehrgängige Menu aus Aperitif, Vor- und Hauptspeise, dem Käse, der den Magen angeblich schließt(Unsinn), die Wahl der Weine, der Espresso am Schluss, so sollte es am Ende der Fahrt ein schöner Abend werden. Wir aber landeten zu Hagemanns Entsetzen in einem touristisch elsässischen Mittelklasselokal, das auf all die Ansprüche französischer Finesse verzichtete und uns als das abfertigte, was wir waren: ein Bus !
Wer heute diese besondere französische Atmosphäre sucht, ist in der Brasserie Bofinger bestens aufgehoben, Rue de la Bastille 5-7.
Das Gegenteil lag Herrn Hagemann aber auch am Herzen gezeigt zu werden: das erste Selbstbedienungsrestaurant. So etwas hatten wir vor dem Besuch im ersten Stock am Boulevard Saint Michel, nahe der Fontaine Saint Michel noch nicht gesehen. Tablett nehmen, ein Getränk und dann durch eine nach oben gestellte Glasklappe ein kaltes, blasses halbes Hähnchen mit Fritten greifend, was für ein Ausblick auf die spätere Ernährungsweise in unserem vor uns liegenden richtigen Leben!
Es gab noch viel zu sehen in Paris, die Abende waren frei, die Nächte auch. Viel passierte da nicht, aber wir erlebten Paris bei Nacht, wie Herr Hagemann auch, der sich eines Morgens um 6 mit dem Hausschlüssel an der Eingangstür zu Rue Victor Masse No. 9 schwertat...
Referendare: waren für uns unmittelbarer wahrzunehmen als Lehrer, lebten mit uns, verbrachten viel Zeit mit der Truppe. Oder auch nicht, und das konnte für sie gefährlich werden. Wen wir nicht näher kannten oder nicht mochten, musste mit dem Schlimmsten seiner jungen Laufbahn bei Lehrproben rechnen. Die Herren der Schulbehörde saßen hinten an der Wand, mitunter begleitet von Dr. Korth und sollten die Unterrichtsstunde des Kollegen bewerten.
Bei mangelnder Sympathie zu diesem unglücklichen Kandidaten gingen bei Fragen alle Arme hoch. Der Referendar konnte also jede Frage stellen und bekam von jedem die Antwort: „Ich habe Ihre Frage nicht verstanden, bitte stellen Sie sie noch einmal“.
Bei Sympathie jedoch gingen die Arme derjenigen hoch, die die Antwort wussten, eine straff geführte Schulstunde war der Dank.
Reinigungsdienst: Alle Damen aus diesem Bereich waren uns wohl gesonnen, eine Art Oma – Enkel Beziehung. Wir hatten nicht mehr anzubieten als nett zu sein, sie halfen uns beim Betten bauen.
Frau Thom musste Holz auf den Boden schaffen, bereits gehacktes Holz. Was wir für sie machten. Entlohnt wurden wir am Abend mit selbst eingekochter Ziegenwurst, frischem Brot und einer Flasche kaltem Bier. Und das, während die MitschülerInnen im Alumnat zu Abend essen mussten.
Welche Freude das Ehepaar Thom empfand, uns das Essen genießen zu sehen, habe ich heute noch vor Augen. Leider gingen Frau Thom bei unserem Einsatz bald Holz und Wurst aus. Als kalte Variante dem Hackbraten gleichwertig!!
Richter: Alfons Richter war ein Hausmeister wie aus einem Rühmann - Film. Schrullig, etwas unproportioniert und eigensinnig war er Freund mit uns allen, mit den Schülern eher als mit den Lehrern. Und keiner von uns hatte je einen Grund, mit ihm zu hadern.
Seine zuweilen schweren Abende hielten ihn nicht davon ab, am Morgen die Ketten der Schulglocke wie ein Junger zu ziehen. Alfons war ein gutes Gesicht der Schule.
Scharfes Eck war eine wenig attraktive Kneipe, in der sich die seltsamen Bewohner des Grünen Meers am Ende der Grünemanngasse mangels anderer Kneipen in der Gegend getroffen haben müssen. Hier waren wir definitiv Außenseiter.
Gerrit hatte hier auf der Suche nach dem Neuem halbe Hähnchen entdeckt, die, vorgebraten und in Klarsichtbeutel verschweisst in heißes Wasser geworfen und aufgewärmt werden mussten. War das eine in dieser Umgebung ein klarer Hygienevorteil, wurde dieser durch den Geschmack wieder aufgehoben. Für 2.- DM waren Anlieferungsform, Zubereitung, Haptik und Geschmack eine Zumutung, die Entscheidung für dieses Essen eine Beleidigung für den Hackbraten.
Scheune: Ein maßgeblicher Vorteil, Clausen-Alumne zu sein, war die Lage des Neubaus. Auf eine Anhöhe gebaut, gingen wir zur Schule oder in die Stadt „runter“. Das Haus hatte einen großen Umschwung, also bot sich der Bau einer Scheune an, wesentlich von Karl Clausen mit grünem Daumen, Gerd Schönhals und Jürgen v. Frowein realisiert. In die weithin sichtbare Holzkonstruktion aus Schwarten wurde eine Sauna aus Lehm eingebaut. Hühner wurden gehalten, Hasen. Enten waren da. Sie bekamen einen eigenen Teich, dort steht heute die Halle. Als die Enten das mit einer von Eltern gestifteten blauen Plane bedeckte und ursprünglich als Schwimmbad geplante Becken zugekackt hatten, sprangen wir rein, ko-edukativ, zelebrierten Schlammschlachten und genossen danach die Kellerduschen.
Als der Fuchs bei nur einem Besuch die Mehrzahl der Hühner in der Scheune final verletzt hatte, war der Ärger groß, Rache angesagt. Mit verwesendem Fleisch vom Metzger -nicht aus dem Hermanski-Beständen- wurde eine Geruchsspur bis runter zu den Schorkschen Forellenteichen (die wir übrigens nie „besucht“ haben) gelegt. Der Gestank mündete an der Scheune in eine enge Röhre aus Maschendraht, die bis an den höher gelegenen Austritt des Hühnerstalls führte. Dort stand die Falle. Als Reinecke sich zu einem neuen Marktgang einfand, tappte er des Nachts in die Falle und wurde am Morgen durch einen Schuss in ein Auge erlöst.
Das wurde der Stadtverwaltung zugetragen und beschleunigte die dortigen Pläne; die Scheune abreißen zu lassen. Als Ersatz bekamen wir ein viel größeres Haus, die Turnhalle.
Zuvor fand aber noch ein wissenschaftlich angelegter Auswilderungsversuch unserer Karnickel statt. Ein Drahtzaun, mit stabilisierenden Latten oben und unten begrenzt, verhinderte die Flucht, also mussten die Tiere in ihrem neuen etwa 10qm Rechteckareal in die Tiefe. In der Erde wühlten sie sehr emsig, bauten reichlich Tunnel, vermehrten sich; und wenn die Stadt nicht gegen die Scheune vorgegangen wäre, kämen die Hasen heute bei Ruppertsburg raus und würden in der Bäckerei Alles die für die Nusstörtchen und –ecken vorgesehenen Zutaten fressen. Durch den Umgang mit Hasen lernte man auch den Begriff Myxomatose kennen.
Die Scheune diente auch für Ausflüge bei Alumnatsfesten. Zwei Menschen, Bocksbeutel und einer Flasche Rauscher ließen die Scheune schöner erscheinen als sie je war. Und wer hatte das schon, eine Scheune, Küchenbeete, Hasen, Hühner, Enten, Mädchen, ein neues Haus, usw. usw.
Schotten: Die Stadt lag weit weg, hinter den Bergen, für Fahrradfahrer eine lange Strecke. Das Freibad war eine Alternative, sehr viel moderner und mit einer Wasserrutsche, aber Umkleidekabinen aus Stein(s. Schwimmbad).
Viel interessanter war jedoch die Variante, am Sonntag nach der Kirche nach Schotten zu radeln. Dort, im Deutschen Haus (heute Hochzeitshaus??!!), damals auch dem Betreiber der heute noch gemütlichen Taufsteinhütte (Fam. Bender?) konnten wir in Begleitung von Frieder Bunz nach Herzenslust von der üppigen Speisenkarte wählen und hinterher 'auf Herrn Bunz' anschreiben lassen, den Vater und bona fide Gast im Hotel und Restaurant mit einer aktiven Beteiligung an einer kleinen Fabrik (Bunz & Blaeschke) für elektronische Steuerungssysteme, o.ä.
Schrank. Frau Schrank war eine Referendarin bei den Mädchen. Entgegen noch heute verbreiteter Gerüchte hatte es nie eine Beziehung zwischen Dieter Alt (s.Alt) und Frau Schrank gegeben. Auch bei Klassenreisen (Möhnesee) nicht, das hätten wir gewusst. Bestätigt ist, dass Dieter Alt’s Auge wohlwollend auf den seidigen Haaren von Frl. Bauer ruhte, aber auch da war sonst nichts. (Frau Schrank heiratete später einen Herrn Kraft.)
Schuheputzen fiel wie im modernen Indien als Aufgabe den Angehörigen niederer Kasten zu, also der Unterstufe. Es gab Leibeigene, die immer für saubere Schuhe ein und desselben hohen Herrn zu sorgen hatten - er genoss dessen Protektion -, oder Tagelöhner, die willkürlich zum Dienst an der Sohle verpflichtet wurden. Mussten bei den erschreckend häufig angeordneten Schuhappellen Missstände nachpoliert werden („immer die Brücke zwischen Sohle und Absatz mit eincremen“), waren Sanktionen der beauftragenden Herrschaft zu erwarten, etwa durch besonders strenge disziplinarische Maßnahmen während der Arbeitsaufsicht am nächsten Nachmittag.
Die Oberstufe konnte sich um diese profanen Dinge nicht kümmern, denn die Zeit nach dem Abendessen gehörte dem Raucherzimmer, einem der vier Stühle und dem Glück beim Poker. Wer nicht rauchte und Poker oder Doppelkopf spielte und seine Schuhe selbst putzte, hatte schon verloren.
Schulfeste waren zweifellos Höhepunkte des Schuljahres. Durchgeführt im Sommer, in der Aula mit Band, Bühne, ausreichender Tanzfläche zwischen langen Tischreihen sowie in den angrenzenden Klassenräumen div. Bars (Milchbar, Sektbar,).
Die immer wieder verpflichtete Laubacher Band "Die "Barthellies"(der Saxophonist lebt noch in Laubach) spielte für unseren Geschmack die Musik der Zeit, auch in gebotener Lautstärke. Vor einem der Feste erschien dieses erneute Erlebnis Herrn Dr. Korth abwendbar, als er darum bat, die Band mit ihren Elektrogitarren mögen an diesem Abend ohne Lautsprecher spielen, er wiederhole damit auch den Wunsch anderer Lehrer. Es wurde dann doch laut.
Und wenn Gerolf die Polizistentochter Heidrun Amhoff mit geschlitztem Kleid elegant zum Eröffnungstanz über die Fläche hob, konnte das Fest beginnen.
Schwimmbad. Das städtische Laubacher Freibad am Felix –Klipstein –Weg wurde gern und oft genutzt, Ramsberger Kirschen wuchsen am Hang oberhalb.
Die Umkleidekabinen waren ältere Holzkonstruktionen, hatten hier und da ausgestochene Astlöcher zur besseren Kommunikation in die Nachbarkabine.
Man konnte sich nur dem Schwimmen widmen, Fahrtenschwimmer o.ä. erwerben, oder man wandte sich verstärkt der Damenwelt zu. In jenen Tagen gab es die Mär, Cola vermischt mit (Brausepulver?) verhelfe den Damen zu stärker Zuneigung, nach etwa einer halben Stunde. Also wurde kräftig investiert und die Mischung den Damen als neue „Partydroge“ verkauft. Es war eine unglaubliche Verschwendung knapper Ressourcen. Aber wenigstens auf den Sommer war damals noch Verlass.
Ergänzung von Ralf Leschhorn:
Das Wasser, in dem wir badeten, kam aus dem "Laubach", der dem Tiergärtner Teich entflließt. In den frühen 1960er Jahren wurden die beiden Schwimmbecken vom Bademeister Peter direkt aus dem Bach gefüllt bzw. nachgefüllt, was zur Konsequenz hatte, dass das Wasser im Mai und Juni Temperaturen ab 12 Grad (später auch, von der Sonne verwöhnt, bis 19 Grad, von der Sonne extrem verwöhnt bis sagenhafte 22 Grad) hatte.
Solmser Hof. Im Solmser Hof fing alles an. 1953 wird in einem leerstehenden Hotel ein Alumnat eingerichtet. An einer Stelle steht zu lesen, wir hätten dort gehaust. Das stimmt natürlich nicht, wir haben stilvoll gewohnt und waren geborgen, mehr geht ja wohl nicht.
Das Haus lag gut, gegenüber der Post, nicht weit vom Arzt Becker–Hohensee und dem Amtsgericht, in dessen Hof nach einem Gerichtsverdikt man auch ‚mal Holz hacken' durfte. Etwa nachdem aus dem Urlaub verbliebene oder gezielt gesammelte irische Pence – Münzen den Kickerautomaten im Anker füllten und der Wirt das nicht mochte. Selbst in dieser Spelunke fiel das auf, und ein Mitschüler ‚aus Dublin’ und Kairo ´rein.
Das Haus war zweckmäßig für uns ca. 34 Zöglinge, schließlich gab es hinten zur Wetter eine angebaute Turnhalle, die aber älter zu sein schien als der Hauptbau.
Das Haus war etwa wie folgt gebaut: Man betrat einen für ein Hotel engen Flur, links der Speisesaal, rechts ein Aufenthaltsraum, geradeaus die Treppe nach oben. Sie knarrte über drei Stockwerke, der Läufer aus rotem Kokosmaterial konnte nur wenig dämmen. Vom ersten Podest aus gelangte man in einen breiteren Flur (Mittelstock) mit Mehrbettzimmern, Belegung aus der Unter – und Mittelstufe, 5 Zimmer à 3, und das Büro. Christoph Bokelmann, Gerd Schönhals und Lutz Klenke wohnten auf der linken Seite, die auch dazu diente, Wasserbomben auf unten vorbeigehende Passanten zu werfen. Links in der Ecke im Dreierzimmer Frieder Bunz, Dixi und ich.
In einem dieser Zimmer gab es ein Waschbecken mit Spiegel, und wenn sich Peu dort ausgehfein trimmte, mit seinem Hustenproblemen Gassi ging und eine ungezielte Ladung Auswurf durch das offene Fenster auf die Krawatte eines passierende Realschultektors schoss, setzte wieder eine Leitungsfahndung mit Profiler Clausen an der Spitze ein.
Vom zweiten Podest der Zugang zur Clausen–Wohnung, rechts daneben ein Durchgangszimmer (4) und dahinter die Jüngsten (4).
Eins höher residierte die S – Klasse, die Herren Oberstufler/Primaner. Albrecht Stange gleich links in einem schmalen, kleinen Zimmer, allein gefürchtet wegen seiner guten Noten, dann Sepp Thornau, daneben Burkhardt Schwarz mit Gottfried Tscheschke, der leider noch zur Zeit des Solmser Hofs starb.
Dann Franz Ferdinand Olschewski, Wolfgang v. Ranke, Fritz Neuendorf (wenige dürften noch fehlen aus dem letzten Jahr 61/62). Der Umgang von Frau und Herrn Clausen mit diesen Herren versprach uns für später auch ein angenehmes Leben als Erwachsene.
Der Solmser Hof wurde Anfang 2013 an einen chinesischen Restaurantbetreiber verkauft, eine Nutzungsplanung ist noch nicht belannt.
Am 5. 10. 2011 hattte Uli Vögler einen Termin mit dem damaligen Eigentümer Herrn Becher vereinbart, der uns ausgesprochen freundlich und auskunftsfreudig durch das ganze Haus führte.
Auch wenn man versucht hätte, sich klein zu machen oder auch nur so zu fühlen, so klein kann der SH aus Quintaner's Sicht damals gar nicht gewesen sein. Die Erinnerung an den breiten Gang im Mittelstock, die Treppe hoch in die Oberstufe, die Clausen Wohnung, alles klein, sehr klein. Alle Zimmer waren wiederzuerkennen, wenn auch hier und da durch eine Schrankdusche ergänzt.
Wir müssen damals doch irgendwie gehaust haben...
Hier weitere Erlebnisse von Graser (Bernd Ullrich) im Nov. 2012, seit 1972 wohnhaf in Australien.
Wir haben öfters den Lehrern das Leben unangenehm gemacht . So war es an einem Wandertag mit Dr. Roeschen. Einige von uns wurden muede und riefen "wann machen wir Rast?" Als das Roeschen
hörte und rief "oben auf dem Berg", bekamen wir Alle neue Energie und fingen an zu rennen, als ob es es wichtig gewesen waere, wer sich zuerst hinsetzen konnte. Oben auf dem Berg war ein
Bauernhof mit Kuehen. Da war ein Balken, der gerade die richtige Hoehe hatte sich hinzusetzen, wie auf eine Bank. Da war nur ein Problem: genau in der Mitte hatte eine Kuh duenn auf den Balken
geschissen. Wir sassen wie die Spatzen auf dem Balken, nur ein Sitzplatz in der Mitte war noch frei und als Roeschen erschoepft auf dem Berg ankam, hat er sich natuerlich auf den freien Platz
gesetzt. Wir haetten Ihn ja warnen koennen, doch war die Kuhscheisse am Arsch von Roeschens das Schweigen wert. Er ging dann zum Bauern, den er ja kannte und hat sich die Hosen mit einem Besen
abbuersten lassen. Schadenfreude hat uns das Herz gewaermt und gab uns etwas zu lachen fuer den Heimweg.
Da war auch der Sportlehrer "Beppo" Schulte. Er kam eines Tages zur Schule, Hut auf und eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase. Es hat nicht lange gedauert und das Gerücht ging um, er sei am
Vorabend besoffen gewesen und jetzt zeigen wollte, was fuer ein guter und fitter Turner er war. Irgend etwas muss schief gegangen sein, und der arme Beppo landete auf seinem Gesicht. Das Resultat
waren zwei schwarze Augen, deswegen die Sonnenbrille. Mitleid hat er von uns nicht bekommen, im Gegenteil: in der Pause haben wir uns gegenueber dem Lehrerzimmer aufgestellt und für ihn so laut
wie moeglich das Lied gesungen."----eine volle halbe Stunde hat sie auf ihm poliert, aber dennoch hat sich Beppo koestlich amuesiert -----"[ Ich kann das noch singen, doch habe ich die
anderen Woerter vergessen ].Warst Du auch dabei ?
Noch eine Ergänzung von mir:
Beppo trat im Sportunterricht in unserer alten Halle immer sehr dominant auf, fast schon militärisch. So ließ er uns zu Beginn der Stunde in einer Reihe antreten und schrie *Hände an die
Hosennaht“.
Das konnte er haben. Da die Nähte unserer blauen Turnhosen vorn und hinten lagen, brachten wir die Hände schreigemäß in Stellung: vorn und hinten. Beppo wird sich auf seine Weise gerächt haben,
aber das ist ausgebucht. (Wolfhard)
Im Solmser Hof haben wir unsere Hausarbeit im Speisesaal gemacht, überwacht von Herrn Renkewitz. Das Lernen wurde durch eine kleine Pause unterbrochen, so das man aufs Klo gehen oder irgend etwas
von seinem Zimmer holen konnte. Der blonde und hagere Renkewitz hat diese Pause zum rauchen benutzt. Irgendwie hat es uns gestunken, dass er immer eine laengere Pause hatte als wir. Es war immer
so, dass alle Schüler schon die Nase tief in den Heften hatten und dann ging die Tür auf und Renkewitz kam rein. Eine gute Gemeinschaft gibt einem die Moeglichkeit, Unheil zu planen. So haben wir
die schwere Speiseraumtür ausgehängt und nur wieder in den Rahmen geklemmt. Einen Meter von der Tür entfernt haben wir einen kleinen Hocker hingestellt. Wie geplant kam Renkewitz sportlich daher,
und als er die Tür öffnen wollte, merkte er dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Es war zu spät. Er versuchte die Tür zu halten, verlor aber sein Gleichgewicht und lag jetzt flach auf der Tür
und rutschte mit Gesicht zuerst auf den Fussboden, die Beine hoch in der Luft. Ich habe so laut gelacht, dass ich gleich in Verdacht kam, obwohl ich nur ein Teilnehmer war. Du müsstest da auch
dabei gewesen sein. Graser, Nov. 2012.
Sonntagsessen waren im Vergleich zur Woche immer besser, wenn auch wenig abwechslungsreich. Meistens gab es Schnitzel, die bei den Damen nicht so hoch im Kurs standen, bei uns schon. Die Tischbelegung 4 Jungen, 4 Mädchen ermöglichte es uns, vor dem (stehend hingenommenen) Tischgebet auf vermeintlich blutige und eitrige Stellen am Schnitzel hinzuweisen, oder den üblen Verwesungsgeruch. Noch vor dem Gebet hatten wir so zumeist ein zweites Schnitzel gesichert, der Nachtisch wurde dafür abgetreten. Erschreckend war, dass diese plumpe Masche jeden Sonntag griff.
Sportplatz: Neben dem Luxus eines neuen Gebäudes, einer Scheune und der Halle gab es am äußersten Rand unserer Latifundien an der Schottener Straße gegenüber der Paukerkaserne ein weiteres Stück Land, das als Hartplatz für Sportveranstaltungen vorgesehen war, aber zumeist brach lag.
Eines Winterabends gab es die temperaturbedingt kurzfristige Aufforderung, des Nachts den Platz mit viel Wasser in eine Eisfläche zu verwandeln. Dabei durfte geraucht werden, kaum zu glauben, und der Einsatz war ko-edukativ!. Die Nacht war ein Glückgefühl der besonderen Art, feinste Pädagogik.
Später wurde ein Aschenplatz und eine Aschenbahn angelegt, auf der der 5000m - Abilauf zu absolvieren war. Aber das muss viel später gewessen
sein...
Stuhl. Obersekunda, Klassenzimmer im Glockenbau, 2. Stock, Ecke links, Blick in den Garten hinten.
Herr Hagemann zelebriert Erdkunde ("Die Rocky Mountains sind ein Faltengebirge in nord-südlicher Streichrichtung"), aber die lagen weit weg. Viel näher lag die verstärkende Querleiste zwischen Vorder- und Hinterbeinen am Stuhl des Nachbarn rechts. Ihr lockerer Sitz versprach ausreichend Spiel, die Leiste auch im Unterricht ohne auffälliges Geräusch herausnehmen zu können. Aus gebotener Langeweile wurde sie für leichte Schlagzeugrythmen durch Aufschlag auf das dünne Brett unterhalb der Tischplatte eingesetzt, das bei fleißigen Schülern Büchern und Heften als Ablage diente. War dieses Fach leer, bot es einen ordentlichen Hohlkörper, Schlagzeug geeignet.
Die Langeweile wollte es, dass auch die Leiste im Stuhl des Nachbarn zur Linken locker saß....
Nach mehreren freundlichen Aufforderugen durch Herrn Hagemann ("lassen Sie das") führte das rythmische Trommeln zweier Stöcke zur klaren Ansage: "Behrens, lassen Sie das, oder schmeissen Sie den Stuhl 'raus".
Solche Gelegenheiten gab es selten. Also stand ich auf, langsam, es war zelebrisch, drehte mich nach rechts, öffnete die beiden Fensterflügel mit breiten Armbewegungen, packte den Stuhl in einer Linksbewegung mit zwei Händen an den Holmen, drehte mich erneut nach rechts und warf ihn gezielt aus dem 2. Stock in den Garten, wo er unmittelbar zerschellte.
Bevor wir wieder in die Rocky Mountains verschwanden, mischte sich in das Johlen der Klasse die Vermutung des Bergführers "den müssen Sie jetzt auch bezahlen". Aber soweit kam es nicht. Die Stuhlteile habe ich eingesammelt, notdürftig zusamengesetzt und an die Aussenwand des Korth'schen Büros gelehnt. An Alfons Richter erging die Meldung "der muss repariert werden".
Tanzstunde mit Herrn Gustav Schneid in der Aula war schwierig. Der Mann zeichnete sich durch eine ziemliche Körperfülle aus, hatte eine etwas feuchte Aussprache und forderte uns so zum Rumba oder anderen Rythmen mit ihm auf. Irgendwie ging das gar nicht, also wurde der Ernst ins Spiel verkehrt. Als bei der Übung „der Dame den Stuhl anreichen“ dieser vor dem Setzen wieder weggezogen wurde, die Dame (fast) auf den Boden klatschte, fing man sie durch einen beherzten Griff auf. Dieser Körperkontakt war 10x wichtiger als die albernen Grundschritte.
Herr Scheid empfahl das Ende der Kursteilnahme, die sich dann doch in der Rolle des Kellners bei Mittel– und Abschlussball krönte. Die beiden schönen Dalmatiner in seinem Vorgarten passten ebenso wenig zu Herrn Scheid wie das Tanzen.
Taschengeldausgabe: Sie war in ihrer pädagogischen Wirkung völlig falsch angelegt. Wir wurden christlich erzogen, konnten die 10 Gebote auswendig und sollten nicht lügen. Bei der wöchentlichen Taschengeldausgabe mag hingegen kaum einer die Wahrheit gesagt haben. Die Mengen an Schuhputzzeug, Heften, Zahnpasta, Tinte und Waschmittel hätten ganze Kleinstädte versorgt. In Wahrheit mussten Besuche beim Kühn, der Eisdiele oder im Göbel finanziert werden. Frau Clausen trug diese Lügen fein säuberlich in ihr blaues Soennecken-Heft ein.
30 DM gab’s im Monat, die hätte man zu gleichen Wochenraten ausreichen sollen, ohne Nachweis (im PG mit Nachweis, wie schrecklich!) und ohne die lästigen Lügen (W. Petri: „Ich bräuchte, äh...“). Später durfte man auch Zigaretten angeben, aber nicht jede Woche. Aber geraucht wurde doch jeden Tag....
Tischmanieren: Im Solmser Hof verordneten bei Tisch die UIer und OIer mitunter den Jüngsten als Einstieg, zwei Servietten unter die Achseln zu klemmen und mit dem Essen mit Besteck fortzufahren. Rutschte eine Serviette und fiel herunter, wurde das mit einem Schienbeintritt quittiert. Wurde der in einer Lautäußerung wie „aua“ vom Cheftisch gehört, gab es vom Treter eine Strafe. Das konnte Schuhputzen sein, man musste aber bei Mönigs auch schon mal Zigaretten „besorgen“.
Im Sommer gab es Tomaten, abends zum kalten Essen. Es wurden dann während des Essens rechts neben der Küchendurchreiche im Solmser Hof Tomaten an die Wand geworfen. Jeder wählte einen Tomatenkern. Der Kern, der es zuerst auf der glatten, hell gestrichenen Holzverkleidung nach unten schaffte, hatte gewonnen. Wegputzen war Sache der Sextaner. Die Euphorie des Wettbewerbs durfte am Haupttisch nicht wahrgenommen werden, das war die eigentliche Herausforderung. Wenn Detlev Peuckert das Essen nicht schmeckte, stieß er seinen berühmten Keuchhustenstoß aus, der sich anhörte wie TBC im Finalstadium.
Hierzu schrieb Graser am 15. 11. 2012:
Lieber Wolfhard ! Ich war auch an dem Tisch, wo die Tomate so verteilt wurde. Am selben Tisch war auch eines Tages eine Wurst zu viel. Einer war krank und das Küchenpersonal war nicht darüber
informiert. Die Wurst wurde in 5 gleiche Stücke geschnitten und dann musste ich als Jüngster mich bücken, so das mein Kopf unter dem Tisch war. Der Älteste am Tisch hat dann auf ein Stückchen
Wurst gedeutet und mich gefragt :"dip dip dip wem ist dieses Stück. Ein Stückchen Wurst nach dem anderen wurde so verteilt und grosser Jubel brach aus, als ich das kleinste Stück fuer mich
wählte.
Eines Abends wurden wir alle bestraft, weil wir irgendwie das "Schuheputzen" vergessen hatten. Wir mussten nach dem Abendessen das Lied Nummer 644 "All Morgen ist ganz frisch und neu" lernen.
Peti war immer gereizt, wenn es irgend ein gelbes oder rotes Essen gab. Man musste da nur seinen Namen rufen und Ihm den Nachtisch zeigen."Peti --Blut und Eiter," dann sah man ihn mit der Hand vor dem Mund aus dem Speisesaal rennen, um zu kotzen.
Ein anderer Streich war es, mit dem Ollie (Olschewski,W.) zu spielen. Ollie hatte kurze, schwarze Haare und eine unheimlich weisse Haut. Man musste nur seinen Namen laut rufen und dann wurde der arme Ollie rot im Gesicht. Dann folgte der Ruf "Olli Osram " und der arme Ollie gluehte.
Von dem Kuechenperonal unbeliebt im Speisesaal war ein Type [den Namen habe ich vergessen. Er war nur ein Jahr bei uns ], der immer Zigarren rauchte und eine schwarze Basken Muetze trug und endlos das alte Klavier spielte. Der "Flohwalzer" wurde nicht mit den Fingern, sondern mit der Faust gespielt. Musikalisch waren wir ja nicht. aber wir konnten einen schoenen Krach machen, wenn der naechste Speisengang nicht gleich kam.
Wir klemmten die langen Messer in die Tischritzen und brachten sie zum vibrieren, ein schoenes Geräusch... Ja, es gab immer viel Spass im Solmser Hof, und ich erinnere mich gerne an die Zeiten. Wolfhard mein alter Kumpel, bleib gesund und munter, Dein Graser
Unterricht: Im Gegensatz zu Berichten aus den Schulhäusern heute verlief der Unterricht in der PGS friedlich und geordnet ab, unterschiedlich eingefärbt in den drei Phasen: vor-pubertär, pubertär und nach-pubertär.
Übel konnte es für Lehrer werden, wenn der Respekt mit dem von uns unangemessen empfundenen Auftritt eines Lehrers sank. Das war zeitweilig bei Herrn Eilers der Fall, dessen Art und glänzende Anzüge uns nicht gefielen, andere Gründe sind unbekannt.
Als wir uns in Zeiten heftiger Auseinandersetzungen –wir waren saufrech zu ihm- eines Tages vor einer Unterrichtstunde alle mit dem Rücken zur Tafel setzten und Herr Eilers nach schneller Peilung stracks nach hinten ging und den Unterricht begann, stand es 1:0 für ihn, wir waren baff.
Als es dann so an die Tür klopfte wie es nur einer konnte und Dr. Korth den Raum betrat, erst beim zweiten Blick den Lehrers fand und verwirrt fragte: „Nanu, Herr Eilers, was ist hier los“?, wurde von unserem 1:0- Schützen mit der knappen Antwort „Herr Direktor, die Klasse hat es so gewünscht“, das Endergebnis verdoppelt; wir waren begeistert. Herr Eilers konnte fortan mit uns Unterricht wie mit Erwachsenen führen. Er war ein netter Herr, das wussten wir sicher auch vorher.
US – Manöver. 1964 fand das große US – Manöver „Big Lift“ statt, in dessen Verlauf auch die Gemarkung Laubach verteidigt wurde. Die vielen Panzer, Haubitzen und Selbstfahrlafetten im Gelände zogen uns an. Man durfte auf ihnen herumklettern, nur einsteigen war verboten, denn wir hätten auch die bewegt (s. Maikranz). Auf der Ringelshöhe fragten die Gis nach Zeitschriften, die wir ihnen gern aus der Bücherstube holten. Die Praline gab es, wahrscheinlich Hör-Zu und die Bunte, andere Feminina waren zu jener Zeit zur Enttäuschung der Kämpfer noch nicht auf dem heimischen Markt.
Sie waren, was man von „unseren“ Amerikanern erwartete, großzügig und ließen eine große Dose Maxwell House Filterkaffee springen. Da wir damit nichts anfangen konnten, musste sie in Wert gesetzt werden. Karl Clausen traf gerade seine letzten Vorbereitungen zum Studienstart in Gießen und suchte noch Kaffee. Die große Dose wechselte für 14 DM die Besitzer, für eine Person ein halbes „Monatsgehalt“. großartig. Das Geschäft lief unter den Augen von Frau Hermanski vor der Küchentür neben dem Haupteingang ab.
Neben dieser Köstlichkeit hatten die GIs reichlich Essen an Bord, das uns interessierte. Verpackt waren die NATO olivfarbenen Büchsen in Munitionskästen aus dickem Holz, mit seitlichen Griffen aus geflochtener Kordel, die im Handbereich mit Leder umwickelt war.
Das Angebot, Huhn m. Reis u.ä. war reichlich und begehrt. Es schmeckte keineswegs so gut wie im Alumnat, nur war es unendlich viel weltläufiger, aus US – EPAs zu essen.
Die Zubereitung war einfach wie genial. Eine leere Dose wurde zu einem Drittel mit Erde gefüllt, Brennstoff drüber gegossen und angezündet. Die gefüllte Dose wurde geöffnet und über dem Dosenfeuer erwärmt, erhitzt konnte man es nicht nennen. Die Amis ließen größere Bestände zurück, die wir sicherten.
Verbot: Mittelstufe, Dreierzimmer gegenüber die Einzelzimmer, erster Stock, 2:30h. Wir werden aus dem Schlaf gerissen vom bekannten Organ des Chefs(s. Organ) mit dem aufklärerischen Ausruf: „….s, wenn die Fickerei nicht aufhört, fliegst Du hier raus“. Solch unmittelbare Sexualkunde hatten wir aus Erwachsenenmund noch nicht vernommen, auch von der mutigen Frau Zänkert nicht. Da wir wussten – und das war wichtig - um welche Beziehung es sich handelte, konnten wir die Sache einordnen und weiter schlafen.
Weckdienst: Im Solmser Hof gab es einen Weckdienst, zu dem Angehörige der unteren Ränge eingeteilt wurden. Das machte aber auch stolz, denn der Dienst war Mutprobe und Butlerservice zugleich. Bei Peukert´s bekam man bei Öffnung der Tür aus dem Drittstock – Bett einen Schuh an den Kopf, Wolfgang Petri („halt´s Maul, raus“) war erst beim Nachwecken unter uns.
Fritz Neuendorf in der Suitenetage bat abwechselnd um Rasier – oder Kaffewasser, was auf dem Tisch mit einem Kleinsttauchsieder zu bewerkstelligen war, „und zwar schnell“. Den Dienst versah man nicht ungern, denn auf dem Tisch lag eine vererbte, sehr flache, goldene Uhr, die faszinierte. Da der Boden dünn und das Gold weich waren, schaffte die Unruh eines Tages den Weg über eine Delle/Beule nicht mehr, und blieb stehen.
Fritz war außerdem interessant, weil er familiäre Beziehungen ins Ausland hatte, seine Mutter war Norwegerin. Obwohl er dorthin auswandern wollte, verpasste ihm Herr Glogner (Sulla. „Ich bin doch kein Würstchen, ch ch“) eine 5 in Deutsch. Fritz ging ab, nach Norwegen, zuletzt als Hoteldirektor in Kopenhagen.
Eigentlich war es eine Ehre, die Herren dort oben ansprechen, wecken und bedienen zu dürfen, aber das haben wir nicht so empfunden, zu jung!
Wiemer: Herr und Frau Wiemer waren Referendare (beide?) und lebten räumlich versteckt hinter dem Bibliotheksraum im ersten Stock rechts, ein wenig beengt. Ihr Interesse galt mehr der Musik als uns, in Erinnerung geblieben ist die wenig professionelle Zubereitung großer Mengen Halimasch–Pilze, die so gar nicht nach Pilzen schmeckten. Dese Pilze wurden in großer Zahl unweit der Liebesbank (s. Liebesbank) gefunden und waren schon damals der ALDI unter den Pilzen. Viel mehr Erinnerung als an die Pilze und die nett anzusehende Frau Wiemer bleibt nicht, vielleicht waren sie uns pädagogisch auch nicht zugeteilt.
Wecken war immer brutal. Eine schrille Klingel auf jedem Flur war nicht zu überhören, es passierte wahrscheinlich um 6:50 h. Wer noch ein wenig liegen blieb, die Geschwindigkeit des rhythmischen Öffnens und Schließens der Türen auf dem Flur unterschätzte und Theo Clausen vor der Bettflucht im Zimmer stand, war dran: „gell, Du schläfst noch“. Tür zu(s. Abtrocknen).
Wetter: Früher, als bekanntlich alles besser war, trat die Wetter auch schon über ihre Ufer. Ursachen mögen die Schneeschmelze im Vogelsberg gewesen sein, oder kräftige Herbstregen. Jedenfalls floß an diesem Tag AD 1962 viel Wasser 'runter, in die Wetterau.
Das bot Anlass für eine nasse Partie, waten im tiefen Wasser, es war der Beginn der Outdoorkultur in Laubach.
Auf einer kleinen Brücke-der letzten vor der Liebesbank- (s.Karte unter 'Tatorte', Wetter)hatte sich ein angeschwemmter Baumstamm an der steinernen Fassung des oberen Brückenrandes festgesetzt. Beim Versuch, den Stamm zu lösen und ihn über die Brücke in den Unterlauf der Wetter zu bugsieren, passierte es: abgerutscht, gedreht, in die ziemlich reißende Wetter gezogen, intuitiv mit beiden Händen neben dem Baumstamm am Brückenrand festhaltend letzte Überlegungen, alles entspannt, final. Der Film 'Familie' wurde gegeben, alle waren zu sehen, jede(r) einzeln.
Dann kam ein Sprung von oben, kräftige Arme schnappten den damals noch zierlichen Körper. Beide wurden unter der niedrigen Brücke durchgeschwämmt, die hier weder durch ein Gitter noch hängen gebliebenes Strauchwerk versperrt war. Dann der Aufstieg, erste Luft, das rettende Ufer links. Dem sympathischen Referendar Herrn Renkewitz war zu danken, allein wäre die Reise in die andere Richtung gegangen, es war knapp. Was blieb, waren bei Retter und Gerettetem schwere Darmgrippen.
ImNovember 2012 schrieb mir - in Unkenntnis dieses Textes - Bernd Ullrich (Graser), seine Erinnerung hierzu:
Lieber Wolfhard ! Laubach kommt mir gerade in den Kopf. Die Wetter war überschwemmt und eine Gruppe von uns gingen auf Abenteuersuche. Am Waldrand waren gefällte Baumstämme. Einen von diesen Stämmen rollten wir in das Wasser. Wir hatten geplant, auf dem Stamm sitzend im Flutwasser nach Laubach zu 'fahren'. Aber es kam anders: Der Stamm blieb an der Bruecke hängen. Wir haben uns gleich entschlossen, ihn etwas hoch zu heben um ihn ueber die Bruecke zu bringen. Ich war auf der rechten Seite des Stammes um ihn hoch zu heben, ein Junge [Ich kann mich nicht erinnern, wer es war] versuchte anzupacken, aber er machte einen Schritt ueber die Brücke und verschwand gleich in der Flut und war weg. Sekunden danach sprang der Sportlehrer Renkewitz Kopf erst in das Wasser [ vorher gab er mir noch seine Armbanduhr].
Beide waren gleich unter Wasser und wurden unter der Brücke durch geschwemmt. Mir blieb das Herz stehen. Ich ging zur anderen Seite der Brücke. Nach paar Sekunden tauchten Beide ca. 10 Meter entfernt wieder auf und schwammen beide wieder an Land. Der Junge kotzte ein bischen Wasser. Wir Alle gingen gleich wieder nach Hause, geschockt, und haben kaum etwas gesprochen. Warst Du dabei ? Oder warst Du sogar der Junge? Ich hoffe, das Du gesund und munter bist. Dein alter Kumpel Graser.
Man wird verstehen, wie sehr ich mich über diese Zuschrift gefreut habe!
Wieber, Adolf war der Leiter des Singalumnats und Musiklehrer an der PGS, also auch von einigen Clausenalumnnen. (Ich habe gerade das Foto gefunden. deshalb steht er hier .... Außerdem hat er das hier Stehen verdient.) R.L.